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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman
Autoren: Steffi von Wolff
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ist Gero eben. Ein Freund auf ewig. Hoffentlich.
     
    Meine Kontaktlinsen brennen in den Augen. Hektisch blicke ich zu Frau Eichner. Die heult immer noch. »Was ist denn hier los?«, fragt Gero. »Klärt mich mal einer auf? Ich habe Hunger.« Nicht für tausend Euro könnte ich jetzt einen Bissen essen. »Hast du Wein dabei?« »Klar!« Gero packt vier Flaschen Bordeaux aus, eine reiße ich ihm sofort aus der Hand. Zwei Minuten später trinken wir das erste Glas. Dann finde ich den Mut, Gero zu erzählen, welches Problem Frau Eichner hat. Er steht auf. »Kommt mit!« »Ei, wo wolle Se dann hin, Herr Krauss, was wolle Se dann mache?«, lamentiert Frau Eichner. »Wir werden jetzt in Ihre Wohnung gehen und nachsehen!« »Geht ihr zwei, isch net. Isch bleib hier und tu putze. Gell, Frau Carolin!«
    Von mir aus. Aber erst noch ein Glas Wein. Auf ex. Gero und ich gehen Hand in Hand ein Stockwerk tiefer und schließen Frau Eichners Wohnungstür auf. Plötzlich finde ich das alles total aufregend und bekomme schreckliches Herzklopfen. Aus der Wohnung dringt ohrenbetäubender Lärm. Natürlich, Frau Eichner hat ja immer den Fernseher laufen. Wir gehen ins Bad. Nichts außer Blut. Hat sich der Tote noch ein paar Meter weit schleppen können? Wo könnte er sein? Wir schauen ins Schlafzimmer und in die Küche. Kein Toter zu sehen. Dann öffnet Gero die Wohnzimmertür. Der Tote sitzt auf dem
    Sofa und hat vor sich auf dem gekachelten Couchtisch Bierdosen stehen. Im Fernsehen läuft Fußball. Irgendjemand schießt ein Tor, was der Tote zum Anlass nimmt, aufzuspringen und laut zu schreien. Da erblickt er uns.
    »’n Abend!«, sagt er. »War das Ihre Oma, die mir mit der Kanne einen übergebraten hat? Mit der ist nicht gut Kirschen essen!« Drehen jetzt hier alle durch?
    »Warum sind Sie denn überhaupt noch hier?« Gero ist fassungslos. »Weil mich hier keiner beim Fernsehgucken stört!«, grölt der Tote. »Und die Alte ist ja abgezischt. Mein lieber Schwan!«
    Er greift sich an den Kopf. Irgendwie hat er ein Handtuch um seine Wunde gewickelt. Ich schaue mir die ganze Sache näher an. Frau Eichner hat wirklich ganz schön zugeschlagen. Aber allzu schlimm scheint es ja dann trotzdem nicht zu sein. Langsam beruhige ich mich wieder. »Dann können wir ja jetzt kochen«, beschließe ich.
    »Ich könnte auch was vertragen«, meint der Tote und macht den Fernseher aus. »Hab zuletzt zum Frühstück eine Fleischwurst gegessen!« Eine halbe Stunde später sitzen Gero, Frau Eichner, der Tote und ich an meinem Küchentisch und essen Gemüsespaghetti mit Kalbfleisch. Die vier Flaschen Bordeaux werden auch leer und dann geht Frau Eichner noch einmal in ihre Wohnung und holt Nachschub.
    Der Tote entpuppt sich als ein genialer Stepptänzer und plättelt in meiner Küche »I’m singing in the rain«. Wir singen alle mit und haben eine Menge Spaß. Gegen halb drei ruft der Tote sich ein Taxi, Frau Eichner schläft am Küchentisch ein, und Gero und ich fallen todmüde ins Bett.

3

    Ich hasse nichts mehr als einen Kater. Dagegen sind meine Migräneanfälle ein Witz. Am nächsten Morgen habe ich das Gefühl, dass mein Kopf in tausend Stücke zerspringt. Ich setze mich auf und spüre tausend Messer, die sich in meine Hirnmasse bohren.
    Gero schläft neben mir mit offenem Mund, aus dem er auf mein Spannbetttuch sabbert. Eklig. Kein Wunder, dass er keinen anständigen Mann abkriegt. Geros Freunde beziehungsweise Bettpartner waren bis jetzt der absolute Horror. Einer war der völlige Sadomasotyp und fesselte Gero in dessen Wohnung auf den Küchentisch, um dann nach Hause zu gehen. Der arme Gero lag einen ganzen Tag lang bäuchlings und schrie um Hilfe, die aber erst abends nahte, als die Nachbarn von der Arbeit heimkamen. Es war eine sehr peinliche Situation für Gero. Nach dieser Geschichte kündigte Gero die Wohnung und zog in einen anderen Stadtteil.
    Ich schüttle ihn. »Hmmmpf!« Er zieht sich die Bettdecke über den Kopf. Von mir aus. Soll er krankmachen, ICH muss arbeiten. Wenn ich heute nicht in die Redaktion gehe, kann ich das ganze Wochenende arbeiten. Aus der Küche kommt der Geruch von frischem Kaffee. Herrlich. Frau Eichner ist also entweder noch oder schon wieder da. Sie hat ja einen Schlüssel, weil sie bei mir sauber macht. Ich versuche, aus dem Bett zu steigen, ohne mich zu übergeben. Erst mal eine Tasse Kaffee.
    »Guten Morgen!!!«, trällert mir Frau Eichner entgegen. »De Disch is gedeckt. Ich han aaach schon Brötscher g’holt!
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