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Fremd fischen

Fremd fischen

Titel: Fremd fischen
Autoren: Emily Giffin
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dahin wird noch eine Menge Zeit verstreichen.« Und das war’s? Hat sie von mir gesprochen?»
    « Nein. Ich war erschrocken. Sie hat sich gewaltig zurückgehalten. Irgendjemand muss sie mächtig coachen. »
    « Im Ernst? Zurückhaltung ist nicht Darcys Stil.»
    « Genug von ihr», sagt Dex.«Wir sollten sie ’ne Weile vergessen.»
    « Mach ich, wenn du es auch machst», sage ich.
    « Und was möchtest du heute Abend unternehmen?», fragt er.«Ich glaube, ich komme zu einer vernünftigen Zeit hier raus. Wie sieht’s bei dir aus?»
    Jetzt ist es fünf, und ich habe noch mindestens vier Stunden zu arbeiten. Trotzdem antworte ich, dass ich jederzeit gehen kann.

    « Treffen wir uns um acht?»
    « Okay. Wo?»
    « Lass uns zusammen bei dir Abendessen machen. Das haben wir noch nie getan.»
    « Okay, aber … ich kann nicht kochen», gestehe ich.
    « Doch, kannst du.»
    « Nein, wirklich nicht. Ehrlich.»
    « Kochen ist einfach», sagt er.«Man kriegt irgendwann den Dreh, wenn man es macht.»
    Ich lächele.«Dann versuch ich’s.»
    Schließlich habe ich in letzter Zeit kaum was anderes getan.

    Eine Stunde später mache ich Feierabend. Es ist mir egal, ob ich Les über den Weg laufe. Ich fahre mit dem Aufzug in die Lobby und dann zwei Rolltreppen hinunter in die Grand Central Station. Ich bleibe stehen und bewundere den prachtvollen Bahnhof – er ist so vertraut und so sehr verbunden mit meiner Arbeit, dass ich seine Schönheit im Alltag gar nicht wahrnehme. Ich betrachte die Marmortreppen an beiden Enden der Halle, die Bogenfenster, die dramatischen weißen Säulen und die weit geschwungene türkisblaue Decke, die mit Sternbildern bemalt ist. Ich beobachte die Leute, die meisten in Bürokleidung, wie sie in alle möglichen Richtungen zu den Vorortzügen laufen, zu U-Bahnen, die alle Ecken von New York erreichen und durch zahllose Ausgänge mit verkehrsreichen Straßen verbunden sind. Ich schaue auf die Uhr im Zentrum des Bahnhofs mit ihrem verschnörkelten Zifferblatt. Genau sechs Uhr. Noch früh.
    Langsam spaziere ich zum Grand Central Market am östlichen Ende der Halle, einem Lebensmittelmarkt aus lauter einzelnen Ständen mit Gourmetleckereien.
Schon oft bin ich mit Hillary dort durchgelaufen, und wir haben den einen oder anderen Schokoladentrüffel zu unserem Starbucks-Kaffee gekauft. Aber heute Abend habe ich Größeres vor. Ich wandere von Stand zu Stand und belade mich mit Delikatessen – mit Hart-und Weichkäse, frisch gebackenem Brot, grünen Oliven aus Sizilien, italienischer Petersilie, frischem Oregano, einer perfekten Vidalia-Zwiebel, Knoblauch, Öl und Gewürzen, Pasta, rotem, grünem und gelbem Gemüse, einem teuren Chardonnay und zwei exquisiten Tortenstückchen, makellos wie im Restaurant. Ich nehme den Ausgang zur Lexington Avenue und komme an einer ungeordneten Taxischlange mit Scharen von gehetzt aussehenden Pendlern vorbei. Ich beschließe, zu Fuß nach Hause zu gehen. Meine Tüten sind schwer, aber das macht mir nichts aus. Ich trage hier keinen Aktenkoffer mit Büchern und Akten. Ich trage das Abendessen für Dex und mich.
    Ich sage José, dass er Dex gleich hochkommen lassen kann, wenn er da ist.«Seinetwegen brauchen Sie mich nicht mehr anzusummen.»
    Er zwinkert und drückt für mich auf den Aufzugknopf.« Aah. Dann ist es was Ernstes! Gut so.»
    « Ja, gut so.»Ich lache.
    Kurz darauf arrangiere ich die Lebensmittel auf meinem Küchentresen – und so viel Essbares auf einmal hat mein Apartment noch nie gesehen. Ich stelle den Chardonnay in den Kühlschrank, lege klassische Musik auf und suche das Kochbuch, das meine Mutter mir vor mindestens vier Jahren zu Weihnachten geschenkt hat und das ich noch nie benutzt habe. Ich blättere die jungfräulichen Hochglanzseiten um und finde ein Rezept für Salat und Pasta, das ungefähr die Zutaten enthält, die ich gekauft habe. Dann suche ich mir eine
Schürze heraus – auch ein nie benutztes Geschenk – und fange an zu schälen, zu hacken und zu braten. Ab und zu werfe ich einen Blick ins Kochbuch, aber ich halte mich nicht präzise an alle Anweisungen; ich nehme Petersilie statt Basilikum und lasse die abgetropften Kapern weg. Das Essen wird nicht perfekt werden, aber ich lerne allmählich, dass es nicht darauf ankommt, perfekt zu sein. Im Gegenteil, es kann sogar deinen Untergang bedeuten, wenn du es zulässt.
    Ich ziehe mich um und entscheide mich für ein weißes Sommerkleid mit rosa Blumenstickereien. Dann decke ich den Tisch, setze das
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