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Fremd fischen

Fremd fischen

Titel: Fremd fischen
Autoren: Emily Giffin
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jeden von ihnen am Haken, selbst wenn sie die Leine schon durchgeschnitten hatte. Blaine zum Beispiel. Der lebt in Iowa mit einer Frau, drei Kindern und zwei schokoladenbraunen Labradors, und er schickt Darcy immer noch jedes Jahr eine E-Mail zum Geburtstag. Das ist doch so was wie Macht.
    Bis heute redet Darcy wehmütig davon, wie toll es auf der High School war. Ich winde mich jedes Mal innerlich, wenn sie davon anfängt. Klar, ich habe auch ein paar gute Erinnerungen an diese Zeit, und ich war einigermaßen beliebt – ein hübscher Nebeneffekt, weil ich Darcys Freundin war. Mit Begeisterung ging ich mit Annalise zu den Football-Spielen; wir malten uns die Gesichter orange und blau an, saßen in Decken gewickelt auf der Tribüne und winkten Darcy zu, die als Cheerleader unten über das Spielfeld marschierte. Ich
liebte unsere samstäglichen Abendausflüge zu Colonial Ice Cream, wo wir immer das Gleiche bestellten – einen Schildkrötenbecher, eine Snickers-Bombe und ein Double Chocolate Brownie – und dann alles miteinander teilten. Und ich liebte meinen ersten Freund, Brandon Beamer, der mich im letzten High-School-Jahr fragte, ob ich mit ihm gehen wolle. Auch er war ein Regelbefolger, eine katholische Version meiner selbst. Er trank nicht und experimentierte nicht mit Drogen, und er bekam schon Schuldgefühle, wenn er über Sex auch nur sprach. Darcy, die schon im zweiten Jahr ihre Unschuld an einen spanischen Austauschstudenten namens Carlos verloren hatte, gab mir immer Anweisungen, wie ich Brandon verderben sollte.«So grapschst du seinen Penis, und ich garantiere dir, die Sache ist gelaufen.»Aber ich war ganz zufrieden mit unseren ausgedehnten Knutschereien im Kombiwagen seiner Eltern, und ich brauchte mir nie Sorgen wegen Verhütung oder Alkohol am Steuer zu machen. Und so sind meine Erinnerungen zwar nicht glanzvoll, aber ich hatte doch wenigstens manchmal meinen Spaß.
    Oft genug hatte ich keinen – da waren die Tage mit grässlichem Haar, die Pickel, die höllischen Klassenfotos. Nie die richtigen Kleider zu haben, ohne Date zum Schulball zu gehen. Der Babyspeck, den ich nie loswerden konnte. Nicht in die Mannschaft gewählt zu werden, die Wahl zur Klassenkassenwärtin zu verlieren. Und das überwältigende Gefühl von Trauer und Angst, das nach Belieben kam und ging (genauer gesagt, einmal im Monat), ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Eigentlich typischer Teenagerkram. Klischees – weil alle sie erleben. Das heißt alle außer Darcy, die durch diese turbulenten vier Jahre schwebte, von Zurückweisungen unbehelligt, von pubertärer Hässlichkeit
unberührt. Natürlich liebte sie die High School: Die High School liebte sie.
    Viele Mädchen, die ihre Teenagerjahre so erlebt haben, kriegen dafür später im Leben anscheinend umso heftiger ihr Fett ab. Sie tauchen nach zehn Jahren auf dem Klassentreffen auf, zwanzig Pfund schwerer und geschieden, voll wehmütiger Erinnerungen an die Tage vergangener Glorie. Aber die Flut der glorreichen Tage ist für Darcy immer noch nicht verebbt. Kein Absturz, kein Untergang. Im Gegenteil, das Leben wird einfach immer schöner für sie. Wie meine Mutter einmal ganz gegen ihre Gewohnheit sagte: Darcy hat die Welt bei den Eiern. Das war – und ist – die perfekte Beschreibung. Darcy kriegt immer, was sie will. Einschließlich Dex, ihren Traum-Verlobten.

    Ich hinterlasse eine Nachricht auf Darcys Handy; ich weiß, dass es während des Films abgeschaltet sein wird. Ich sage, dass ich zu müde bin, um essen zu gehen. Als ich das hinter mir habe, ist mir schon weniger flau. Ja, ich bin plötzlich sogar sehr hungrig. Ich suche meine Speisekarten heraus und bestelle mir einen Hamburger mit Cheddar und Fritten. Vermutlich werde ich bis zum Memorial Day wohl keine fünf Pfund abnehmen. Während ich auf den Lieferservice warte, denke ich daran, wie Darcy und ich vor all den Jahren mit dem Telefonbuch gespielt haben, wie wir über die Zukunft gerätselt und uns gefragt haben, was der dreißigste Geburtstag wohl bringen würde.
    Und jetzt sitze ich hier, ohne den hinreißenden Ehemann, den verantwortungsbewussten Babysitter, die zwei Kinder. Stattdessen trägt mein entscheidender Geburtstag für immer den Makel des Skandals … Ach, na ja. Hat keinen Sinn, selbst auf mich einzuprügeln.
Lieber drücke ich auf die Wahlwiederholung und ergänze meine Bestellung um einen großen Schoko-Milkshake. Ich sehe, wie das Mädchen am Rand der Geschworenenbank mir zuzwinkert. Sie
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