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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild
Autoren: Anja Belle
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Verbindung zwischen uns und gab mir ein Gefühl der Sicherheit. Micha war noch zwanzig Meter entfernt. Dann zehn, endlich nur noch fünf. Es dauerte so unendlich lange. Er hatte ein Gewehr im Anschlag, ebenso wie seine Kollegen. Sie hatten Patrick im Visier. Ich schlang meine Arme sanft um ihn, seinen rechten Arm mit der Waffe einschließend. Dann, als ich sicher war, dass die anderen nah genug waren, drückte ich mit einem Ruck zu, so fest ich nur irgendwie konnte. Ralf schnappte sich zeitgleich seine Pistole aus dem Gras, entsicherte sie und zielte. Aber ich war zu nah an Patrick, ich stand im Weg und wirkte nun wie ein Schutzschild für ihn. Er grinste süffisant, befreite sich langsam von meiner Umarmung, dann hob er seinen Arm und hielt sich die Pistole an die eigene Schläfe. Mit dem anderen Arm klemmte er meinen Hals ein. Ich war fest an seinen Kopf gepresst und konnte spüren, wie sein Herz raste. Mein Gesicht rieb an seiner vom Schweiß feuchten Haut und seine Bartstoppeln bohrten sich in meine Wange. „Lass sie los oder ich schieße!“, hörte ich Ralf sagen. Ich wagte nicht, mich zu bewegen. „Wenn ich dich nicht kriegen kann, dann bekommt dich keiner“, und dann knallte es. Ich hörte, wie Ralf in Panik „Nein!“ schrie.
    Ich spürte einen dumpfen Schlag an der Schläfe. Meine Knie wurden weich und gaben einfach nach. Ich fiel um, ohne etwas dagegen tun zu können und landete auf dem Rücken. Patrick fiel auf mich, dann wurde er leblos von mir weggezogen. Es tat nicht weh. Nichts tat mehr weh. Es war alles weich, sanft und in Watte gepackt. Ich sah, wie Ralf sich über mich beugte. Tränen standen in seinem Gesicht. In der Spiegelung seiner Augen sah ich mich. Mein Kopf war blutüberströmt. Meine eigenen dunklen Augen schauten mich verwundert aus Ralfs Gesicht an. Er strich mit zitternden Händen sehr zärtlich eine Strähne meiner Haare, die mir an der Stirn klebte, aus dem Gesicht. Das war sicher alles Patricks Blut, denn wenn es meines wäre, dann würde ich das doch merken, nicht wahr? Ich würde doch spüren, wenn ich verletzt wäre!
    Ich hörte aus meinem Kopfhörer, der immer noch um meinen Hals hing, die Textzeile:
    „ There's no time for us
    There's no place for us
    What is this thing that builds our dreams, yet slips away from us“.
    So deutlich, wie ich sie noch nie gehört hatte. Es war alles so surreal. Ich konnte die Wolken über mir segeln sehen und hörte einen einsamen Vogel zwitschern. Die dürren Äste an den Bäumen über mir wiegten sich sanft im Wind und stachen markant von dem strahlend blauen Himmel ab. Ich fühlte mich entspannt und geborgen. Eine Windböe strich durch das vertrocknete Gras an meinem Kopf und es raschelte leise neben meinem Ohr. Soldaten kamen mit einer Trage, aber sie machten keine Geräusche. Ich sah sie nur als unscharfe Gestalten am Rande meines Blickfeldes. Alles war so leicht. Ich schaukelte sanft wie eine Feder im Wind. . Ralf nahm meinen Kopf in die Hände. Ich sah jede einzelne Furche seiner Haut, jede Falte, jedes Haar und nahm die Wärme wahr, die aus ihnen herauszuströmen schien. „Anne!“, aber seine Stimme brach und er heulte auf, „verlass mich nicht!“. Es kam nur ganz gedämpft bei mir an. Ich sah mehr, wie sich seine Lippen bewegten, als dass ich tatsächlich seine Stimme hörte. Eine seiner Tränen tropfte auf mein Gesicht, aber ich musste noch nicht einmal blinzeln. Ich bemerkte hektisches Treiben um mich herum, aber es war außerhalb meiner Wahrnehmung. Es war für mich unverständlich, warum so ein Chaos herrschte. Es war doch alles gut? Ich wollte Ralf umarmen, um ihm zu zeigen, dass es mir gut ging und er sich keine Sorgen zu machen brauchte, aber meine Gliedmaßen gehorchten mir nicht. So konnte ich nur in Ralfs Gesicht sehen, der mich verzweifelt ansah. Mein Blick wurde trüb. Mir musste etwas Blut ins Auge gelaufen sein, so dass ich alles mit einem roten Schleier sah. Ich fühlte keine Angst. Ralf war da und würde mich beschützen. Er brach heulend über mir zusammen und legte seinen Kopf auf meine Brust. Leise flüsterte ich: „Ich liebe dich“, dann wurde es Nacht. Meine Musik dudelte immer weiter. Das letzte was ich hörte, waren Freddys Worte:
    „ Who wants to live forever
Who wants to live forever
Oh ooo oh
There's no chance for us
It's all decided for us
This world has only one sweet moment set aside for us...“

Epilog
    Die Kugel, die Patrick sich durch seinen Kopf geschossen hatte, durchschlug seine
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