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Freikarte fürs Kopfkino

Freikarte fürs Kopfkino

Titel: Freikarte fürs Kopfkino
Autoren: Selim Özdogan
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helfen, der sich nicht selbst helfen möchte. Die Aber die Wahrheit hilft nicht, wenn man sich schuldig fühlt. Sie klingt nur wie ein Klischee. Und ich fühlte mich schuldig. So wie du auch, wenn dein Freund sich umbringt. Ich hatte einen Rückfall. Ich kam billig an 250 Lorazepam. Ich wolle nicht alle 250 Lorazepam in einem Monat nehmen, ich habe gedacht, der Vorrat reicht für die nächsten zwei Jahre.
Aber ich konnte ein wenig Entspannung gebrauchen nach diesem Gefühl völlig versagt zu haben ev. streichen – ist klar weshalb, muss nicht explizit gesagt werden Ich wollte nicht 250 Lorazepam in einem Monat nehmen. Ich habe gedacht der Vorrat reicht für die nächsten zwei Jahre. Klar war es dumm, so viel zu kaufen, aber ich kann nicht nein sagen, wenn das Angebot so gut ist. So wie du auch.
Alles wird gut. Nach dem zweiten Entzug, der viel härter war als der erste und der mich dann meinen Ausbildungsplatz kostete.
    Alles wird gut. Als Alexandra das erste Kind verlor. In der neunten Woche. Alles wird gut. Als ich einen neuen Ausbildungsplatz als Bauzeichner bekam. Alles wird gut. Als Alexandras Mutter das Bein amputiert wurde, wegen eines Abzesses.
Ich stand oder kniete in den letzten Jahren so oft hinter Alexandra und las diese Worte. Alles wird gut. Wenn dein Chef dich wieder mit Koksresten an der Nase würde ich streichen, ist zu viel vor allen zur Sau macht. Alles wird gut, wenn deine Mutter sich plötzlich bei dir ausheult, weil sie nach zehn Jahren endlich mal merkt, dass der Mann nicht gehalten hat, was er versprach versprochen hatte.
Das Leben ist nicht besonders gut oder schön oder glorreich glorreich ist hier ein sehr großes Wort; dass das Leben gut und schön ist, erwartet man sich vielleicht (solange man es nicht besser weiß ...), aber wer erwartet ein glorreiches Leben? vielleicht besser: spektakulär spektakulär. Nur Versprechungen gibt es umsonst. Für alles andere musst du zahlen. Auf jede Minute, die es dir gut geht, kommen drei von den anderen Tagen. Es reicht nicht, diese Worte lesen können. Nie.
Wie oft habe ich sie gelesen, drei Worte, zwölf Buchstaben, eine leere Versprechung, wie die andere mit den drei Worten, die mir nicht mal Alexandra gemacht hat. Für sie klinge es immer wie eine Lüge, hat sie gesagt ..
Wie oft habe ich verzweifelt die Hüften bewegt und mich an eine Zukunft geklammert, die nie kam. Wie oft sind mir die mir Dinge mir entglitten wie ein Glas beim Spülen, und wie oft habe ich mich auch noch an den Scherben geschnitten. Wie oft habe ich n mir die Worte auf Alexandras Rücken mir geholfen weiter zu machen, und wie oft haben sie sich als hohl erwiesen. So wie bei dir auch.
Es wird nicht nie gut. Nie. Seit dem Rastplatz eigentlich schon besser (denn gut ist es nie geworden – aber seit dem Rastplatz weiß er es): Das weiß ich seit dem Rastplatz. Das weiß ich schon seit dem Rastplatz. Es ist wie in einem Laufrad. Nur der, der was drauf hat, rennt. Rennt immer weiter. Denn wenn du stehen bleibst, dann fällst du erst richtig auf die Fresse. Dann geht es dorthin, wo Marc jetzt ist.
Alles ist schon gut. Das wäre kein guter Spruch. Man könnte es nicht glauben. Aber irgendwie stimmt es ja. Es ist alles schon gut. Denn besser geht es gerade einfach nicht. Alles wird gut, das verschiebt dein Glück nur in die Zukunft. Dabei ist es schon da. Direkt vor deiner Nase.
     
    Alternatives Ende:
Aber es wäre seltsam, wenn Alexandra sich jetzt das jetzt stechen lassen würde. Alles wird gut Dass alles gut wird Alles wird gut, hat schon genug geschmerzt und geblutet, sagt sie immer.
     

Steine legen
    - Wer lebt, verliert, sagte die Frau.
    Ich drehte den Kopf und sah sie an. Sie hatte sich näher zu mir gesetzt als man das normalerweise tat. Die Bank neben uns war frei. Und was sie sagte, war nicht das, was ich hören wollte. Ich hatte verloren. Zwei Mal. Doch das konnte sie mir ja kaum ansehen.
    Ich deutete ein Lächeln an, nickte und sah dann wieder auf den Fluss.
    - Ja, sagte sie, als hätte sie das Lächeln als Aufforderung verstanden. Wer lebt, verliert. Meist ganz beiläufig, Schuppen, Haare, Flüssigkeit, aber auch Büroklammern und Feuerzeuge, Kugelschreiber, Socken, Münzen. Man verliert Milchzähne, die Fassung oder die Unschuld. Wer lebt, verliert. Am Ende das Leben. Und dann gibt es nichts mehr zu verlieren.
    Wenn sie nur gewusst hätte, wie nah sie mit den beiden letzten Sätzen an meiner Wahrheit war und wie falsch sie trotzdem lag. Es gab noch mehr zu
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