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freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani

Titel: freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
Autoren: Claudio Paglieri
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nicht das Schwarze unter dem Fingernagel brachte, zu wissen, wer warum einen Mord begangen hatte, wenn man nicht die
     Beweise hatte, um den Täter vor Gericht zu stellen. Deshalb sei es erst einmal wichtig, die größtmögliche Anzahl an objektiven
     Fakten zu sammeln, Fingerabdrücke, DNA-Analysen und Telefonverbindungen inbegriffen. Und sobald man |30| den Schuldigen mit den Fakten konfrontierte, würde dieser selbst das Wie und Warum zu erklären haben. »Du mußt die Fortschritte
     der Wissenschaft akzeptieren, Chef. Du bist noch keine Vierzig und schon von vorgestern. Du gehörst der Generation an, die
     ihre Examensarbeit noch mit der Schreibmaschine getippt hat. Wenn du dich nicht auf den neuesten Stand bringst, werde ich
     deinen Posten schneller übernehmen, als du denkst.«
    Am Ende waren sie übereingekommen, daß jeder seiner eigenen Methodik folgen sollte und daß sie einander über die Ergebnisse
     ständig auf dem laufenden halten würden. Und bei den letzten vier Mordfällen hatten sie sich, ausgehend vom jeweils entgegengesetzten
     Ende, in der Mitte getroffen und dabei Identität des Täters, Motiv und alle nötigen Beweise ermittelt.
     
    Ob nun Mord oder Selbstmord, dachte der Kommissar, es ist im Stadion, während eines wichtigen Spieles passiert. Der Täter
     hätte sich tausend andere Schauplätze und vor allem tausend stillere Momente aussuchen können, folglich muß das Motiv mit
     dem Fußball zusammenhängen, mit der Tätigkeit des Opfers. Das ist ein Signal, das sich bewußt an die ganze Branche richtet.
     Ein Signal, das der Schiedsrichter selbst gesetzt hat, oder ein Warnsignal des Mörders.
    Er trank den Kaffee aus, der inzwischen kalt war, dann warf er das ungeöffnete Sandwich in den Papierkorb, und da er sich
     von Nicola unbeobachtet wußte, wählte er sich ins Internet ein, um Informationen über Herrn Ferretti zu sammeln. Der Fortschritt
     der Technik hatte, alles in allem, doch ein paar Vorzüge. Luciani hatte erwartet, eine knappe Biographie und ein paar Zeitungsartikel
     zu finden, und nun war er erstaunt über die Flut von Fakten, die sich aus dem Netz ergoß. Es gab Dutzende von Artikeln, Diskussionsforen,
     Anklagen und Gegenanklagen. Ein Mailänder Fan hatte auf |31| seiner Site sogar sämtliche Fehlentscheidungen zusammengestellt, die seine Mannschaft in den letzten Jahren benachteiligt
     und die Gegner begünstigt hatten. Unter den so beschuldigten Referees tauchte der Name Ferretti besonders häufig auf. Sämtliche
     für oder gegen die Mannschaft gepfiffenen Elfmeter waren gelistet, außerdem die Platzverweise und wegen Abseits aberkannten
     Treffer. Ein Faktensalat, der in einer aktuellen »authentischen« Meisterschaftstabelle (die Mailänder Mannschaft kletterte
     vom vierten auf den ersten Platz) und einer »wahrhaftigen« Titelchronik (in der dieselbe Mannschaft drei Meistertitel mehr
     gewann, jeweils auf Kosten von Alfredo Rebuffos Team) gipfelte. Auch zu besagtem Manager gab es diverse Internetseiten, die
     von vermeintlichen Korruptionsfällen berichteten und darlegten, wie »geschickt« Rebuffo mäßige Mannschaften in Siegerteams
     und Siegerteams in Dreamteams verwandelte. Selbst wenn Luciani sich nicht mehr für Fußball interessierte und fast nie fernsah,
     waren auch ihm in den letzten Jahren all die Polemiken und Mauscheleien nicht entgangen. Auch im Kommissariat drehten sich
     am Montag morgen alle Diskussionen um ein Thema: einen zu Unrecht gegebenen Strafstoß, ein nicht sanktioniertes Abseits, korrupte
     und korrumpierbare Schiedsrichter. In der Welt des Profifußballs war es schon immer so zugegangen, er selbst erinnerte sich
     an gesperrte Spieler und Clubpräsidenten, an Endlosdiskussionen vor den abendlichen Nachbereitungssendungen mit Zeitlupenanalyse.
     Er erinnerte sich auch gut an den damaligen Wettskandal, und er war überzeugt, daß seinerzeit, wie üblich, ein paar kleine
     Fische und ein paar große Einfaltspinsel die Zeche für alle gezahlt hatten. Aber er hatte den dringenden Verdacht, daß die
     Kacke in letzter Zeit noch viel gewaltiger und würziger dampfe, und er hatte eine unbändige Lust, den Ventilator einzuschalten,
     um diese Kacke auf die ganze Welt regnen zu lassen.
    |32| Die interessantesten Sachen druckte er aus, dann las er, ohne es recht zu merken, bis zum Morgengrauen. Erschöpft schloß er
     schließlich alle Fenster auf dem Monitor. Er wollte schon gehen, als er der Neugier nicht widerstehen konnte und die
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