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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Autoren: Siegfried Wittwer
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sein«, hörte Anneliese den Schiffer sagen. »Wir sind nur mit Mühe und Not nach Magdeburg durchgekommen. Die nächsten Wochen werden wir wohl die Schifffahrt einstellen müssen. Der Krieg macht auch uns schwer zu schaffen, und sollten die Kaiserlichen wirklich kommen, wie man überall munkelt, dann kommt hier nicht mal ein Nachen durch.«
    Er wies auf den Sturzkarren, als wollte er vom Thema ablenken: »Sie wollen die Papierballen wieder mit Ihrem alten Karren zur Druckerei transportieren? Wäre es nicht an der Zeit, sich einmal einen neuen und größeren Wagen zuzulegen? Mit einem Zweispänner bräuchten Sie nicht zweimal zu fahren.«
    »Nein, nein. Mein altes Fuhrwerk hat mich noch nie im Stich gelassen«, winkte ihr Vater ab, »warum sollte ich mir da einen anderen Wagen kaufen?«
    »Sie müssen es ja wissen«, meinte der Schiffer, spuckte auf den Boden und wies seine Gehilfen an, das Papier zu verladen.
    Unter Ächzen und Stöhnen hoben die Männer die schweren Ballen auf die Ladefläche, bis das Holz zu quietschen begann.
    »Genug für jetzt!«, rief Meister Stetter. Ich fahre die Ladung erst einmal in die Stadt und komme in etwa einer Stunde wieder. Alles klar?«
    »In Ordnung«, nickten ihm die Männer zu, froh darüber, sich endlich hinsetzen zu dürfen.
    Carl-Ulrich Stetter löste die Bremse, fasste das Pferd am Zaumzeug und schnalzte mit der Zunge. Langsam setzte sich das Fuhrwerk in Bewegung. Der Rappe hatte alle Mühe, die schwere Karre zu ziehen. Deshalb stieg Stetter nicht auf den Kutschbock zu seiner Tochter, sondern ging neben dem Pferd her. Sorgfältig vermied er Schlaglöcher in der Straße, um die teure Fracht nicht in Gefahr zu bringen. So kamen sie nur langsam voran.
    Kurz hinter dem alten, wuchtigen Stadttor tauchte ein junger Mann aus einer Seitengasse auf. Er war groß, schlank und trug einen hellbraunen Überrock, darunter ein seidenes Wams, eine schwarze, eng geschnittene Kniehose und weiße Strümpfe. Seine Füße steckten in den gerade in Mode gekommenen Schnallenschuhen mit Absätzen. Unter seinem schwarzen, mit einer Feder geschmückten Barett sah schulterlanges, braunes Haar hervor, und sein Bart war sauber ausrasiert und gestutzt.
    Anneliese blickte zu ihm hinüber.
    Wer ist dieser Fremde?, dachte sie. Er sieht gut aus. Warum ist er mir bisher nicht aufgefallen? Ist er etwa neu in der Stadt?
    Der junge Mann blieb stehen, um das Fuhrwerk passieren zu lassen. Anneliese blickte ihn im Vorbeifahren an und lächelte. Sie wusste um ihre Wirkung auf Männer. Mit ihren schwarzbraunen Locken, den großen, braunen Augen, dem makellosen Teint und ihrem süßen Lächeln, hatte sie schon manches Männerherz höher schlagen lassen.
    Tatsächlich, der junge Mann lächelte zurück! Ihr wurde innerlich warm. Doch dann wandte sie schamvoll ihren Blick ab. Es gehörte sich nicht für ein Mädchen aus gutem Haus, einem Mann hinterherzuschauen. Trotzdem, sie konnte nicht anders, als noch einmal zurückzublicken. Sie drehte sich um und stützte sich mit beiden Armen auf der Vorderwand der Ladefläche ab.
    Mit einem lauten Schlag brach in diesem Moment der Eisenriegel des Sturzkarrens. Unter der Last der Papierballen kippte die Ladefläche nach hinten und schleuderte Anneliese über die Gasse. Sie prallte gegen etwas Festes und fiel zu Boden. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
    Das Herz des Mannes schlug gleichmäßig und stark. Anneliese hörte es deutlich, während sie sich an seine Brust schmiegte und er sie in seinen Armen hielt. Es war ein schönes Gefühl, voll Wärme und Geborgenheit. Ewig könnte sie so in seinen Armen liegen. Sein französisches Parfum betörte ihre Sinne.
    Doch dann zog Gestank von Kohl, altem Fisch und sauer gewordener Hafergrütze an ihr vorbei. Anneliese rümpfte ihre Nase, öffnete die Augen und blinzelte in die Sonne. Jemand beugte sich zu ihr herunter und eine vertraute Stimme sagte:
    »Annelie, geht es dir gut? Hörst du mich? Hast du Schmerzen?«
    Allmählich wurden ihre Gedanken klarer. Irgendetwas war passiert, aber sie konnte sich nicht erinnern, was.
    »Annelie, sag doch was«, hörte sie die Stimme neben sich. Eine Hand streichelte ihre Schulter. Es war ihr Vater. Jetzt erkannte sie ihn. Er schaute sie besorgt an.
    Sie richtete sich halb auf, wandte ihren Kopf zu Boden und blickte in das Gesicht eines jungen Mannes. Er lag mit geschlossenen Augen in einem Haufen Küchenabfälle. Sein von braunen Locken umrahmtes Gesicht war ebenmäßig geschnitten, sein Bart sauber
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