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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Autoren: Siegfried Wittwer
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leben.
    Die Karre rollte durch das Stadttor zur Elbe hinunter. Dort hatten Flusskähne am Kai festgemacht. Schiffer entluden ihre Waren, schwatzten und tauschten Neuigkeiten über den Krieg aus.
    Auf dem Hafengelände herrschte Hochbetrieb. Stetter zügelte sein Pferd und hielt schließlich den Karren an.
    »Seit letzten September sitzen die Pappenheimer nun schon im Erzstift und machen uns das Leben schwer«, hörte Anneliese einen der Männer sagen, dessen graue Haare durch den Wind ganz zerzaust waren, »und die schlecht bezahlten Truppen unseres Administrators Christian Wilhelm sind eine wahre Plage in unseren Vorstädten. Statt den Pappenheim wieder aus dem Stift zu werfen, lungern sie hier herum und drangsalieren die Bevölkerung. Und ich sag dir eins: Tilly wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Der hat sich nur für einige Monate nach Norden abgesetzt, um die Schweden abzudrängen. Jetzt, wo der Winter zu Ende ist, wird er zurückkommen. Und dann geht's hier rund.«
    »Ach«, winkte ein anderer ab und spuckte verächtlich auf den Boden, »die Jungfrau Magdeburg wird sich weiter beiden Männern verweigern.«
    Er wies auf die Fahne, die über dem Stadttor im Ostwind flatterte. Auf ihr war ein Mädchen zu sehen, das mit einem Kranz in der Hand zwischen zwei Türmen über dem Stadttor stand – das Wahrzeichen Magdeburgs.
    »Seit Otto dem Großen hat doch niemand dieser Stadt wirklich schaden können«, fuhr er fort, »und Pappenheim und Tilly mussten ja – wie auch Wallenstein – schon mal unverrichteter Dinge abziehen. Glaub mir, die Fettwänste werden ihnen auch diesmal keinen Heller schenken, um sich freizukaufen. Da schwör ich drauf!«
    Meister Stetter und Anneliese warteten geduldig, um noch einen entgegenkommenden Wagen durchzulassen. So hörten sie, wie sich ein dritter Schiffer in das Gespräch einmischte: »Gustav Adolf hat doch in Frankfurt an der Oder die Kaiserlichen geschlagen, und es heißt, er sei schon auf dem Weg hierher. Da werden sich die beiden Generäle hüten, ihre Kräfte mit dem Schweden zu messen. Wie man hört, sind die Soldaten in ihren Söldnertruppen inzwischen ziemlich fußkrank und ausgehungert.«
    »Dem Schwedenkönig soll es aber nach der letzten Schlacht auch nicht besser gehen«, widersprach der Grauhaarige.
    »Was soll's«, meinte sein Gegenüber, »bis die sich hier gegenseitig die Schädel einschlagen, sind wir schon lange weg …«
    Der Weg war inzwischen frei, und Carl-Ulrich Stetter klatschte mit den Zügeln, um weiterzufahren.
    »Hör nicht auf das Gerede dieser Leute«, unterbrach er Anneliese in ihren Gedanken. »Ob Tilly zuerst kommt oder die Schweden oder keiner von beiden, kann niemand mit Sicherheit sagen.«
    »Die Schweden wären mir lieber«, erwiderte sie.
    Ihr Vater winkte ab: »Ob die Kaiserlichen oder die Schweden ist eigentlich egal. Zahlen müssen wir bei beiden. Auch König Gustav Adolfs Soldaten leben nicht von Luft und Liebe. Es kann sogar sein, dass sie uns noch viel länger auf der Tasche liegen werden als Tilly und Pappenheim mit ihren Männern.«
    Ein Grinsen zog plötzlich über sein Gesicht.
    »Freunde sind manchmal viel kostspieliger als Feinde. Vielleicht sagt man ja auch darum: ›Teurer Freund‹.«
    Er zog die Zügel und hielt den Wagen neben einem Warenstapel an. Große, rechteckige Pakete, in gewachstem Leder verpackt, lagerten hier am Kai.
    »So, da liegt ja schon unser Papier.«
    Der Drucker schwang sich vom Fuhrwerk, legte die Zügel über den Kutschbock und drehte die Bremse fest. Dann wandte er sich an einen bärtigen, alten Mann in Schiffertracht, mit dem er offensichtlich schon viele Geschäfte gemacht hatte. Sie schüttelten sich wie alte Freunde die Hand und verhandelten anschließend die Transportkosten der Papierballen. Schon bald wurden sie sich einig. Carl-Ulrich Stetter zog seinen Geldbeutel hervor und zählte dem Schiffer die ausgehandelten Dukaten in die Hand.
    Weder er noch Anneliese bemerkten, wie sie dabei ein schlaksiger Mann in speckigem Lederwams und Pluderhose aus der Ferne beobachtete. Seine dunklen Haare waren ebenso dünn wie sein Bart, und seine Haut war blass und großporig. Er kniff die wässriggrauen Augen zusammen und blickte interessiert auf die beiden Männer am Kai. Dann wandte er sich wieder ab und tat so, als wäre er gelangweilt und desinteressiert. Aber ein leichtes Zucken seines Mundwinkels verriet seine innere Anspannung.
    »So, Meister Stetter, das wird vorerst unser letztes Geschäft
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