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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Autoren: Siegfried Wittwer
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ausrasiert und gestutzt.
    Anneliese runzelte ihre Stirn.
    Was war geschehen? Warum lag sie mitten auf der Gasse an der Brust eines Fremden?
    Sie blickte wieder in das Gesicht des Mannes und lächelte. Doch dann wurde sie wieder ernst. Es war also alles nur ein Traum gewesen – ein schöner, gewiss, aber nur ein Traum.
    »Komm, Annelie«, sagte ihr Vater und half ihr beim Aufstehen. »Du hast dir doch nichts getan? Tut dir irgendetwas weh?«
    Sie schüttelte ihren Kopf.
    »Was ist passiert, Papa?«, wollte sie wissen, immer noch halb benommen.
    »Nun, der Eisenriegel des Sturzkarrens ist gebrochen. Der Riegel, der die Ladefläche festhält«, klärte sie Carl-Ulrich Stetter auf. »Die Papierladung war wohl zu schwer und der Riegel schon ein bisschen angerostet. Tja, und weil du dich auf den Rand des Karrens abgestützt hast, wurdest du durch die Luft katapultiert. Ein Glück, dass unser neuer Advokat dich aufgefangen hat.«
    Stetter hielt kurz inne, kraulte seinen Vollbart und fuhr schelmisch grinsend fort: »Nun, wenigstens hat er es versucht. Du hast ihn aber voll von den Füßen gerissen. Meine Tochter ist doch einfach umwerfend.«
    Anneliese achtete nicht auf die Wortspiele, die ihr Vater so sehr liebte, und mit denen er manchmal humorlose Mitmenschen ungewollt vor den Kopf stieß. Sie blickte auf den immer noch reglos am Boden Liegenden.
    Mit einem Mal kehrte ihre Erinnerung zurück. Der junge Mann war aus der Seitengasse gekommen, und sie hatte ihn angelächelt. Dann dieser laute Schlag …
    Der neue Advokat? Deshalb war er so geschmackvoll gekleidet! Er hatte versucht, ihr zu helfen, sie aufzufangen? Und jetzt lag er mit ruinierter Kleidung besinnungslos in einem Haufen stinkender Küchenabfälle! Sicherlich hatte er sich den Kopf aufgeschlagen.
    Sie hockte sich neben ihren Retter und griff nach seiner Hand. Sie war warm. Dann blickte sie zu ihrem unschlüssig dastehenden Vater auf und fragte: »Wie heißt er, unser neuer Advokat?«
    »Grefe, oder Grebe. Ich weiß nicht so genau«, erwiderte dieser. »Ach, jetzt fällt es mir wieder ein: Benno …, Benno Greve ist sein Name. Er ist erst seit ein paar Tagen in der Stadt. Doch wir dürfen keine Zeit verlieren. Wir müssen den Medikus rufen.«
    Anneliese hörte gar nicht richtig zu und wandte sich wieder dem Besinnungslosen zu und strich ihm über Stirn und Wange: »Benno, hören Sie mich?« Aber der rührte sich nicht.
    »Was sollen wir tun?«, fragte sie wieder ihren Vater. »Wir können ihn doch hier nicht einfach liegen lassen.«
    »Natürlich nicht«, antwortete dieser. »Am besten, wir nehmen ihn mit nach Hause und lassen dann den Medikus rufen. Der soll ihn gründlich untersuchen, ob er sich irgendetwas gebrochen oder innere Verletzungen zugezogen hat.«
    Inzwischen hatte sich die halbe Straße um sie versammelt. Neugierig gafften die Leute auf die drei und tuschelten hinter vorgehaltener Hand über das Vorgefallene.
    Die schöne Stetter'sche und der neue Advokat! Warum tätschelt sie ihm in aller Öffentlichkeit die Wange? Haben die etwa schon was miteinander? Nun, zusammenpassen würden die beiden schon. Er aus gutem Hause – jedenfalls, wie man hört – und sie klug und belesen. Was ist mit ihm? Warum liegt er zwischen den Küchenabfällen? Hat Meister Stetter ihn umgefahren? Der ist ja manchmal ganz schön rabiat. Das wird ein teurer Spaß für ihn werden. Der Advokat wird sich seine ruinierte Kleidung mit Sicherheit bis auf den letzten Heller bezahlen lassen. Und dann das Schmerzensgeld erstmal!
    Anneliese hörte nicht auf das Getuschel um sie herum. Sie hatte nur Augen für Benno Greve, der sie davor bewahrt hatte, in den Haufen Unrat zu fliegen, in dem er nun selbst lag, und sich vielleicht sogar schwer zu verletzen.
    Benno – ein schöner Name. Die Kurzform von Benjamin, »der Sohn meiner rechten Hand«. Jemand also, der einem zur Seite steht und hilft, auf den man sich verlassen kann. Wie eben jetzt.
    »Am besten wir lassen ihn erst einmal zur Ader, um das schlechte Blut zu entfernen, das sich in seinen Gliedern gestaut hat«, sagte ein Mann. Benno Greve hörte ihn wie aus weiter Ferne. »Gelbe und schwarze Galle, Blut und Schleim sind durch den Sturz wahrscheinlich ins Ungleichgewicht geraten. Einen halben Liter weniger von dem roten Saft, und er wird schnell wieder hergestellt sein.«
    »Oder er ist anschließend tot!«, widersprach ihm ein anderer mit tiefer Stimme. »Der Londoner Arzt William Harvey hat doch gerade erst nachgewiesen, dass
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