Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
Flugzeugabsturz lebend inmitten der Trümmer wiederfindet. War es wirklich vorbei und ausgestanden? »Was ist mit deiner Hand?«, wollte Honka wissen. Einen Augenblick lang besah ich mir meine blutverschmierten Finger. »Nichts«, sagte ich dann, ging ins Bad und knipste das Licht mit dem Ellenbogen an. Der Seifenspender funktionierte, das Wasser lief, doch es dauerte eine halbe Ewigkeit, den bräunlichen Schaum von den Flossen zu waschen. Als ich in das Wäschelager zurückkehrte, hatte Honka inzwischen Peelaert auf den Bauch gedreht, ihn mitTape geknebelt und seine Hände mit Draht verschnürt.
    Es tat gut, die Angst in Peelaerts Augen zu sehen. Yoginda saß nach wie vor an seinem Platz, wagte sich nicht zu rühren, überlebender Passagier wie ich. »Komm her und zieh ihm die Hose aus«, befahl mir Honka und packte den sich windenden Peelaert mit festem Griff im Genick. »Hose, Schuhe, Unterhose, alles.« Ich sah ihn fragend an, doch er steuerte keine Erklärung bei, sondern kniete sich neben Peelaert, fasste ihm ins Haar und drehte das Gesicht zu sich. »Ich hab Bilder von dir gesehen«, sagte er, leise, heiser, angewidert. »Viele Bilder.« Damit ließ er den Kopf los, richtete sich auf, bedeutete mir, loszulegen, ging ins Bad und brach das Waschbecken aus der Wand.
    »Wir fahren dann jetzt«, sagte ich laut, über das Rauschen von Wasser aus mehreren Leitungen hinweg. Honka nickte nur, auf eine kritische Art versunken in die Betrachtung Peelaerts, der nackt bis auf sein Oberhemd im komplett leer geräumten Bad auf dem Boden kniete.
    »Also, hör zu«, sagte er zu ihm. »Mein Auftrag ist simpel: Ich soll dafür sorgen, dass du nie wieder ein Kind fickst. Deshalb dieses Arrangement: Sämtliche Abflüsse sind verstopft, das Wasser läuft. Ich gehe jetzt raus, mache die Tür zu, schließe sie ab, und lege den Schlüssel hier oben in den Lüftungsschlitz der Tür. Wenn du nicht ersaufen willst, musst du nur aufstehen und ihn dir nehmen. Kapiert? Gut.«
    Er trat raus, zog die Tür zu, schloss sie ab, nahm den Schlüssel und platzierte ihn sorgfältig im Lüftungsschlitz. Wasser lief unter der Tür durch, bis Honka hinging und den Spalt mit Peelaerts Hose abdichtete. Dann nahm er dem toten Türken den Hut ab, zog ihm den Mantel aus, besah sich verdrießlich die Löcher und das Blut und faltete alles zu einem Bündel, bevor er sich an uns wandte.
    »Verpisst euch endlich«, sagte er, zog sich einen Stuhl ran, setzte sich drauf, legte die Beine auf den Tisch, verschränkte die Hände im Nacken, schloss die Augen und lauschte dem Rauschen des Wassers. »Und macht die Tür zu.«
     
    »Also gut«, seufzte Schwester Rebekka. »Sie kriegen Ihre Verabredung. Sie geben ja doch keine Ruhe.« Ich starrte sie an. >Hä?<( stand, absprungbereit, ganz vorn auf meiner Zungenspitze. Alles, was ich wollte, waren meine Stiche, meine Spritzen, meine Bandagen, meine bunten Pillen und ein gewisser Grad an Gewissheit durchzukommen.
    »Sie werden doch jetzt nicht so dumm sein und leugnen.
    dass Sie den ganzen Zirkus der letzten Tage einzig und allein meinetwegen veranstaltet haben?« Sie warf sich in Pose, braune Augen keck, Lachfältchen und Kurven an all den richtigen Stellen. »Ja, Scheiße«, sagte ich.
    »Ist ein Date mit mir etwa ein Grund zu fluchen?«, fragte sie streng.
    »Nein, das nicht. Natürlich nicht. Aber sehen Sie mich an. Hätten Sie schon gestern nachgegeben, hätte ich mir eine Menge ersparen können.«
    Sie nahm meine Hand in sanftem Griff und führte mich den Gang hinunter.
    »Du wirst sehen«, raunte sie, »im Endeffekt war’s das wert.«
     
    Yoginda und mein türkischer Taxifahrer schliefen, als ich einstieg. Stiche, Spritzen, Bandagen, Pillen und die ärztliche Ansicht, dass man mit vier gebrochenen Rippen und einem zweigeteilten Schulterblatt eigentlich besser im Krankenhaus bliebe, lagen hinter mir. Schwester Rebekka hatte zum Abschied angedeutet, sich möglicherweise am kommenden Samstag von mir zum Essen ausführen zu lassen. Ich lehnte mich vorsichtig ins Sitzpolster und fragte mich, welchen Wochentag wir eigentlich hatten.
    Wir setzten den Jungen im Village ab und ließen ihn in Scuzzis Obhut. Leblanc war schon auf dem Weg hierher. Eine dünne Rauchsäule stand über dem Gehöft der Grotzkis. Kurz vor der Grundstücksgrenze lag ein Motorroller im Graben. Mein Fahrer stoppte, und ich stieg aus. Der Roller war nur umgekippt, fallen gelassen worden. Priscilla lag daneben am Boden und weinte hemmungslos. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher