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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow
Autoren: Jörg Juretzka
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sich aufzurichten und dabei die eng mit seinen Hand- und Fußgelenken verdrahteten Fortpflanzungsorgane abzurupfen. Es ist schon auffällig, dass gerade Menschen, die anderen gegenüber zu jeder Bestialität fähig sind, gern eine ausgesprochene Mimosenhaftigkeit an den Tag legen, wenn es um die eigene Pelle geht. Na, Hauptsache, er war hin.
    »Und gerade wurden wir zu einem Gehöft in der Nähe gerufen. Wieder Brandstiftung, wieder zwei Tote.« Wieder diese bohrenden Blicke.
    »Macht vier«, sagte ich, und Mendens Gesichtsfarbe wechselte in beängstigendem Tempo von Leichenblässe zu allzu lebhafter Röte.
    »Dazu kommen die Leichen eines Paares mittleren Alters«, blaffte er, »keine äußeren Verletzungen, angespült am Ruhrorter Rheinufer, entdeckt von spielenden Kindern.«
    Ausgerechnet, dachte ich. Noch ein paar Traumatisierte mehr. Als ob das nötig gewesen wäre. »Und zu jedem einzelnen dieser sechs Toten werden wir Sie jetzt in aller Gründlichkeit vernehmen, Kryszinski. Steigen Sie ein.« Lukas deutete auf seinen Wagen. »Moment noch«, sagte ich, suchte ein bisschen und zog dann ein DIN A4-Blatt aus der Arschtasche meiner Jeans. Entfaltete und glättete es auf der Haube des Streifenwagens, bevor ich es Lukas reichte. Der betrachtete es skeptisch, las und bekam runde Augen dabei. Menden blickte ihm über die Schulter, überflog den Text und tat etwas, das ich bei ihm noch nie zuvor erlebt hatte. Er lachte. Tonlos, kaum mehr als ein stoßweises Atmen, aber immerhin.
    »Ich hatte Sie gewarnt«, sagte er zu seinem Duisburger Kollegen, machte kehrt, stieg in seinen Wagen, startete den Motor und fuhr an, stoppte allerdings noch mal auf meiner Höhe.
    »Nicht vernehmungsfähig« , knurrte er aus dem Seitenfenster. »Diesen Doktor Korthner werde ich mir mal zur Brust nehmen, verlassen Sie sich drauf.« Und er jagte mit quietschenden Reifen davon.
     
    Eigenes Bett, frisches Laken, weiches Kissen, abendliche innenstädtische Geräusche und Gerüche von draußen, alles vertraut und dann doch wieder fremd. Ich stand in der Balkontür, rauchte und betrachtete unentschlossen die Tramal-Flasche in meiner Hand. Irgendwie war der Schmerz gerade genau richtig, exakt ausbalanciert. Und solange ich die Augen offenhielt, sahen sie nur, was sie sahen. Und nicht, was sie gesehen hatten.
    Struppi leerte seinen Napf, schmatzte, rülpste, grunzte, tappte mit vor Zufriedenheit hängenden Lidern zu seinem Korb, ließ sich auf seinen Wanst fallen, gähnte herzhaft, rollte sich zusammen, steckte die Nase unter einen seiner Hinterläufe und begann beinahe augenblicklich zu schnarchen. Wie ich ihn beneidete.
     
    ENDE
     
    [erstellt mit plustek OpticBook 4600 und Atlantis Word Processor]
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