Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
dreckig und kommst gesund in den Ruhestand! Wird das einem Bauern geboten?«
    Auch wegen Stellas Papieren hatte es keine große Fragerei gegeben. Die Verwaltung von Charkow stempelte den Antrag ab und begriff sofort, daß beim Abbrennen eines Bauernhauses alles verlorengehen kann. Zwar gab es nirgendwo noch Akten und amtliche Eintragungen, aber da war ja Pjotrs guterhaltener Ausweis, sein Gesicht stimmte mit dem auf dem Foto überein – kein Anlaß, da kleinlich zu sein. Stella Antonowna bekam ihre neuen Papiere, hieß offiziell Salnikowa, war seit drei Jahren verheiratet, von Beruf Weberin – was ja stimmte – und wohnte zur Zeit in Charkow am Güterbahnhof. Als die Salnikows den Wunsch äußerten, wieder aufs Land zu ziehen, bekamen sie dafür eine neue Bescheinigung mit ein paar Stempeln, die bestätigte, daß die Niederlassung in einer anderen Gegend genehmigt wurde.
    »Nun sind wir amtlich!« hatte Pjotr zufrieden gesagt, als sie aus der Verwaltung kamen. »Rußland steht uns offen. Jetzt fehlt nur noch der Frieden.«
    Pjotr blickte auf, als Stella Antonowna in die Wohnung kam und sich bleich und schweratmend an die Tür lehnte, während das Regenwasser von ihr abfloß, als sei sie ein Brunnen. Ihr Blick war starr, ging an Pjotr vorbei, als gäbe es ihn nicht, und während sich zu ihren Füßen eine Wasserlache bildete, rührte sie sich nicht.
    Pjotr legte die ›Charkow-Prawda‹ zur Seite, sprang auf und holte aus der Kochecke ein Handtuch.
    »Du lieber Himmel, wie siehst du denn aus? Warum hast du dich nicht untergestellt? Zieh die nassen Sachen aus, Stellinka. Du bekommst eine Erkältung!«
    »Wir müssen weg«, sagte sie dumpf. »Sofort weg, Pjotr. Heute noch!«
    Er blieb stehen, starrte sie entgeistert an.
    »Was – was ist passiert?«
    »Frage nicht, Pjotr. Wir müssen sofort weg.«
    »Hat man entdeckt, wer ich bin?«
    »Nein.«
    »Hat man dich erkannt?«
    »Nein …« Sie nahm ihm das Handtuch ab und wickelte es sich um den triefenden Kopf. »Frag nicht mehr! Wir müssen fort. Ich kann in dieser Stadt nicht mehr bleiben. Bitte, Pjotr, wenn du mich liebst! Heute noch!«
    »In der Nacht?!« Er holte tief Atem, hatte plötzlich hundert Fragen an sie, verschluckte sie dennoch, weil sie an seine Liebe appellierte, an sein Vertrauen.
    »Jetzt gleich, Pjotr!«
    »Ohne Abmeldung von unseren Stellungen?«
    »Ohne alles. Wir sind einfach fort. Bitte, Pjotr!«
    »Morgen früh …«
    »Ich kann in dieser Nacht nicht eine Stunde mehr schlafen. O Pjotr, ich erklär' es dir schon. Nur jetzt nicht, nicht hier! Laß uns gehen …«
    »Wohin?«
    »Nach Osten. Über den Don, über die Wolga, zum Ural. Weit weg von hier!« Sie drückte das Handtuch an ihren Kopf, ihre Augen flehten ihn an. »Rußland ist doch so groß, zwei Menschen werden noch Platz haben. Wir fahren mit dem Zug nach Woronesch, und dann weiter nach Stalinsk, Kuibyschew und Ufa. Und dann nach Swerdlowsk. Pjotr, dahinter beginnt das neue Leben für uns. Sibirien liegt vor uns.«
    »Das ist ein Wort, das ich nicht gern ausspreche«, sagte Pjotr heiser.
    »Sibirien kann wundervoll sein.«
    »Kann! Die meisten knirschen schon mit den Zähnen, wenn sie nur den Namen hören.«
    »Das war früher, Pjotr. Sibirien ist das jungfräuliche Land. Die ganze Weite gehört uns! Und niemand kennt uns dort.«
    »Also doch!« sagte Pjotr ernst. »Es gibt Probleme mit uns. Du hast Angst.«
    »Ja«, sagte sie, plötzlich sehr müde. Sie ging zu einem Stuhl und setzte sich. »Wir müssen leben, wo es keine Korolenkaja mehr gibt.«
    »Ist das überhaupt möglich? Wer weiß, was man nach dem Krieg erst mit dir anstellen wird!«
    »In Sibirien ist alles anders, Pjotr. Da wird die Vergangenheit zum Märchen. Nur die Zukunft gilt dort! Niemand wird uns fragen; auf unsere Hände werden sie blicken und sagen: Willkommen, ihr Lieben! Gute, kräftige Hände habt ihr. Und starke Muskeln! Wir werden gute Freunde sein.«
    Sie packten das Nötigste zusammen, es war nicht viel, nur zwei kleine Leinensäcke voll. Sie verließen das Haus, blickten sich nicht mehr um und gingen zum Bahnhof. Der Zug nach Woronesch fuhr am frühen Morgen. Sie hockten sich in eine Ecke der Halle, um sie herum saßen, kauerten, lagen noch ungezählte Wartende, Soldaten und Zivilisten, und als der Zug einlief, stürmten sie die Abteile mit Verwünschungen und Flüchen, mit Hieben nach allen Seiten und Fußtritten, nur so war es möglich, einen Platz zu erobern.
    Erst als der Zug Charkow verlassen hatte und durch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher