Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
essen.
    Iwinin kam aus der Kreisstadt Mirny, wo die Verwaltung des oberen Wiljui-Gebietes saß, die schon lange behauptet hatte, Nowo Kalga müsse nach hundert Jahren Inzucht endlich einen fremden Starosta bekommen. Er hatte einen schweren Stand. Er war eben noch fremd hier – aber Stella Antonowna gewann er für sich mit einer guten Tat: Er sorgte dafür, daß sie einen Webstuhl aus Jakutsk bekam und eine eigene Weberei gründen konnte. Ihr Sohn Gamsat war nun geboren, ein kräftiger Junge, und Pjotr war gleich nach der Geburt, die Dr. Semaschko überwacht hatte, zum Grab des alten Kaschlew gegangen und hatte ihm gemeldet: »Nikita Iljitsch, es ist ein Junge!« Darauf regnete es eine Woche lang nicht in ihrem Gebiet, die Sonne schien heiß, aus den Sümpfen stieg der Dunst hoch, und Stella sagte:
    »Sieh nur, wie sich Nikita im Himmel freut …«
    Iwinin war es auch, der 1950 zu Stella Antonowna in die Weberei kam und sagte: »Einen schönen Auftrag habe ich für dich. Meine Beziehungen zur Partei, na, wer sagt's? Verbindungen muß man haben, sonst ist das Leben nur ein einziges Im-Kreis-Herumlaufen. Solche Aufträge gehen sonst unter der Decke weg! Kannst du Hosenträger weben?«
    »Bänder, aus denen man Hosenträger machen kann.«
    »Das meine ich. Du lieferst die Bänder, und sie machen daraus Hosenträger für die Werktätigen. Luxushosenträger! Drei Nähmaschinen sind schon da. Vier kommen noch.«
    »Das hört sich gewaltig an, Sinowjej Tofikowitsch!« Stella sah ihn verblüfft an. »Wie viele Meter Band brauchen Sie?«
    »Tausend. Zehntausend, was weiß ich!«
    »Dann muß ich Mädchen einstellen, muß eine Halle bauen. Auch neue Webstühle brauche ich. Und vor allem das Rohmaterial!«
    »Für alles wird gesorgt!« sagte Iwinin überzeugend. »Sie haben da neun Schneider in der Kolonne, und da kam mir der Gedanke, daß man die sinnvoller einsetzen könnte als zum Holzfällen und Bretterschneiden.«
    »Wer?«
    Iwinin tat sehr geheimnisvoll, beugte sich über Stella, blickte ihr tief in die Bluse und erfreute sich wieder einmal an ihrer fraulichen Fülle. Seit Gamsat geboren war, hatte sie einen Busen, um den jeder Pjotr beneidete, weil er allein über ihn verfügen durfte.
    »Kennst du Dhanuga?« fragte Iwinin leise, als verrate er ein Geheimnis.
    »Nein.«
    »Wie auch! Dhanuga steht auf keiner Landkarte. Eigentlich ist es auch nur eine Registriernummer. Dhanuga besteht aus vierundzwanzig Baracken mit einem hohen Zaun darum und neun Wachtürmen. Deutsche Kriegsgefangene, genaugenommen faschistische Verbrecher. Alle verurteilt zu lebenslänglich oder 15 Jahren. Sie haben ein eigenes Sägewerk gebaut. Und ja, sie haben die Schneider im Lager, die nicht ausgelastet sind. Aber sie haben auch den Major Meteljew! Ha, ein zackiges Kerlchen! Und was macht Meteljew? Er gebiert die Idee von den Hosenträgern, holt sich Erlaubnis von der Zentralverwaltung, und die sagt zu ihm: Nun gut, mach es, aber sieh zu, wo du das Material herkriegst. Und nun läuft alles über mich.«
    »Wieso über dich?« fragte Stella Antonowna. Aber sie dachte an Pjotr. Ein deutsches Gefangenenlager, in unserer Nähe? Warum holt uns die Vergangenheit schon wieder ein? Ist selbst Sibirien nicht groß genug?
    »Major Meteljew hat eines deiner Bänder gesehen. Geschenkt habe ich es ihm als Wandschmuck. Man muß sich die Freunde bei Laune halten, Stella! Und was ruft Meteljew aus? ›Das ist ja wunderbar! Dieses jakutische Muster! Diese Feinheit! Und bei euch stellt man das her? Ha, daraus kann man etwas machen. Das darf doch nicht im Wald verdorren!‹ – So ist es zu den Hosenträgern gekommen, die Meteljew in die Großstädte bringen will. Die deutschen Schneider werden sie nähen!«
    Stella Antonowna hielt es für ratsam, Pjotr von diesem Gespräch nichts zu erzählen. Noch war ja alles nur ein Plan Major Meteljews und des dürren Iwinin. Aber sie sprach darüber mit Dr. Semaschko und fragte ihn, ob er das Lager kenne.
    »Nein!« sagte Wiljam Matwejewitsch erstaunt. »Ein Gefangenenlager? Das müßten doch die Jakuten wissen. So etwas spricht sich herum. Und wenn sie ein eigenes Sägewerk haben, muß das Lager schon ein paar Jahre bestehen. Das ist interessant!«
    Der Winter kam, die neuen Maschinen waren geliefert worden, die Produktionshalle aus Rundstämmen, in Blockhüttenbauweise, war vollendet, sogar das Rohmaterial – Leinen und Wolle in vielen Farben – war eingetroffen, was allgemein als Wunder angesehen wurde und Iwinin sehr in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher