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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus und kultiviere es mit Lenin-Sprüchen! Ich bin gespannt, wie du daraus Kartoffeln ziehst.«
    Der gute Kaschlew erlebte noch zwei Jahre mit der Familie Salnikow. Kam aus dem Staunen nicht heraus. Voller Hochachtung war er auch noch, als er sterbenskrank darniederlag und keiner ihn von seinem Prostatakrebs befreien konnte. Denn das nächste Krankenhaus mit einem Chirurgen war in Jakutsk, und wer sollte den Transport dorthin bezahlen? So gut er es konnte, linderte Dr. Semaschko die Schmerzen. Kaschlew sagte zu Pjotr:
    »So ist das hier, siehst du! Krank darfst du nicht werden, dann bist du wie ein morscher Baum, der umfällt. Ich meine, nicht ernsthaft krank. Das normale Zwicken kann Wiljam Matwejewitsch lindern, auch Kinder kann man hier ohne Komplikationen bekommen. Aber wenn in deinem Körper so etwas Fremdes wächst und dir das Leben abschnürt, so eine gottverdammte Geschwulst, dann bist du hier verloren. Immerhin, neunundsiebzig bin ich geworden. Das ist schon etwas!« Er sah Salnikow an und lächelte. »Habe nie bereut, euch Land gegeben zu haben. Was habt ihr in zwei Jahren daraus gemacht! Es war eine Freude, euch zuzusehen. Nun ist Stella schwanger. Enttäusche mich nicht, Pjotr. Das muß ein Junge sein!«
    So hatte sich alles entwickelt, was an jenem Maitag 1946 noch nicht so hoffnungsvoll ausgesehen hatte. Gewiß, der Krieg war gewonnen, Hitler-Deutschland völlig zertrümmert, sowjetische Truppen paradierten in Berlin. Für Pjotr war es eine schreckliche Zeit. Jeden Tag saß er mit Stella vor dem Radio und hörte vom Sender Jakutsk die neuesten Nachrichten und Kommentare, sah im Kino die Filme vom Einmarsch in Berlin, die riesigen Gefangenenkolonnen, die unvorstellbaren Ruinenfelder, die einmal deutsche Städte gewesen waren, die hungernden Menschenschlangen. Und dann die sein Herz lähmenden Bilder aus den KZs, die Leichenberge, die Befreiten – mit Haut überspannten Gerippe –, die Gaskammern, die Verbrennungsöfen. Er hörte Zahlen, die kaum faßbar waren, aber wenn er die Berge der abgeschnittenen Haare und der herausgebrochenen Goldzähne sah, überfiel ihn das Grauen, und er konnte verstehen, daß die Welt sich vor Entsetzen schüttelte.
    »Niemand wird glauben, daß die Masse des Volkes davon nichts gewußt hat«, sagte er einmal. »Wie soll man das, nach diesen Bildern, auch erklären?! Wir Deutschen sind unglaubwürdig geworden.«
    »Du bist kein Deutscher«, hatte Stella geantwortet. »Du bist Pjotr Herrmannowitsch Salnikow. Forstarbeiter bei der landwirtschaftlichen Brigade Lena I.« Und sie suchte im Radio Musik und drehte künftig immer den Lautsprecher ab, wenn Pjotr vor dem kleinen Kasten saß und Nachrichten hörte.
    »Warum?« hatte er sich ein paarmal gewehrt. »Ich will wissen, was in Deutschland passiert.«
    »Für dich ist wichtig, was in Sibirien passiert. Hier bist du, nicht in Berlin!«
    Da war es gut, daß man ihnen von Nowo Kalga erzählte, und so beschlossen sie, nach drei Jahren Wanderschaft durch das weite Land, sich dort ihren eigenen Garten anzulegen.
    Nikita Iljitsch Kaschlew hatte anfangs noch gezögert. Aber dann tat Salnikow etwas, was ihm immer geholfen hatte, bei allen Behörden, bei allen Verhandlungen. Etwas, das mehr half als alle Worte und Argumente. Unter den entgeisterten Blicken Kaschlews ließ er seine Hose fallen, zog die Unterhose hoch und zeigte seinen linken Oberschenkel.
    Das Loch im Fleisch war imponierend, die dicken Narben erweckten sofort tiefes Mitgefühl. War das eine Wunde gewesen! Wie mußte er gelitten haben!
    »Die Faschisten!« sagte Stella Antonowna, während Pjotr seinen Schenkel ins rechte Licht drehte. »Auch das muß man bedenken, wenn man mit Pjotr Herrmannowitsch spricht.«
    Kaschlew war beeindruckt. Er drückte dem tapferen Veteranen die Hand und unterschrieb einen Pachtvertrag über ein schönes Stück Taiga, das nun den Salnikows zur Heimat wurde.
    Als Nikita Iljitsch starb, war Pjotr bereits als Jäger in staatlichem Dienst. Er kontrollierte die Biberzucht und achtete darauf, daß die Jakuten unter den Beständen an Zobeln und Nerzen, Füchsen und Schneehasen nicht allzusehr wüteten. Die Bären schonte man, aber die Wölfe jagte man, wo man sie sah, weil sie kein Rentier, das Haustier der Taiga, verschonten.
    Als Dorfsowjet trat Sinowjej Tofikowitsch Iwinin sein Amt an, ein dürrer Mensch, von dem Dr. Semaschko behauptete, er verwerte alles dreimal und würde, wenn man's ihm schmackhaft machen könnte, auch seinen eigenen Kot
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