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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gleichen Gedanken gehabt hatte. Mit hängenden Armen standen sie einander gegenüber und hätten sich so gern umarmt.
    »Peter …«, sagte Ursbach mit rauher Stimme. »Mein Gott, du bist es wirklich!«
    »Ja, Helge. Ich bin es.«
    »Bist du ausgerückt aus der Gefangenschaft und lebst jetzt illegal?«
    »Nein.« Er schämte sich fast, es zu sagen. »Ich war verwundet, habe mich überrollen lassen, zusammen mit Stella.«
    »Ich habe sie auch sofort erkannt. Stella Antonowna! Der Star des Frauenbataillons. Das ist alles unfaßlich.«
    »Und du? Wie war es bei dir?«
    »Normal« Ursbach lächelte verzerrt. »Lida Iljanowna hat mich laufen lassen, du weißt, die Studentin der Zahnmedizin. Aber ich bin nicht durchgekommen. Unsere Truppen gingen zu schnell zurück, ich kam nicht mehr mit! Dann hatten sie mich. Bis 1945 war es schlimm. Aber dann zog ich durch vier Lager als Arzt und bin jetzt hier gelandet. Seit einem Jahr.«
    »Ich lebe seit vier Jahren in der Nähe. Wir haben ein Haus, viel Land, einen Jungen. Gamsat heißt er. Ich heiße Pjotr Herrmannowitsch Salnikow. Mein Gott, so sehen wir uns wieder. Weißt du, was aus Lida geworden ist?«
    »Sie muß nach meinem Weggehen gewütet haben. Auch sie wurde Heldin der Sowjetunion und hatte 317 Abschüsse, als sie am 20. September 1943 bei Krasnograd getötet wurde. Es stand später in allen Zeitungen. Ich habe ihr Bild gesehen.« Er klopfte gegen seine Brusttasche. »Ich trage sie mit mir herum. Ihr Foto, in einer Hülle …«
    »Du hast sie sehr geliebt, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Dann kannst du verstehen, daß ich Salnikow geworden bin und mit Stella lebe?«
    »Ich hätte es vielleicht nicht anders gemacht, Peter.« Ursbach sah sich um. Keiner beachtete sie. Man besichtigte die Küchenanlagen. »Willst du zurück nach Deutschland – irgendwann einmal?«
    »Nein. Aber weshalb wirst du nicht entlassen? Du bist verurteilt?«
    »Zu 15 Jahren. Weil ich als Arzt mitgeholfen habe, die Invasionssoldaten der Faschisten gesund zu halten! Wörtlich! So kann man Verbrecher werden. Aber Major Meteljew hat mir gesagt, daß ich im Sommer nach Moskau komme. Das ist das Sprungbrett zur Heimat. Wenn ich Glück habe, bin ich Weihnachten unter einem deutschen Christbaum. Mit bunten Kugeln, Pfeffernüssen, Printen, Spekulatius, o Gott, wie kann man hier träumen!«
    »Und wenn du zu Hause bist – wirst du von uns erzählen? Von den Frauenbataillonen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Keiner wird das glauben, Helge. Es ist ja auch unglaublich.«
    »Ich will es versuchen.« Ursbach blickte hinüber zur Küche. An der Seite von Major Meteljew ging Stella Antonowna zu den Werkstätten. Sie hatte einen kurzen Rock an, der um ihre schlanken Beine wippte. Ihr blondes Haar leuchtete rötlich in der Sonne. So schön war sie, daß Ursbach schlucken mußte. »Aber ob es noch jemanden interessieren wird, Peter? Die Zeit rollt weiter. Wenn ich nach Hause komme, ist der Krieg weit weg, ist schon Geschichte geworden. Wen interessiert dann noch, was damals in der Steppe bei Charkow geschah? Frauenbataillon … Wer kann sich einen Begriff davon machen, wenn man es erzählt? Wer kann begreifen, daß es damals Frauen gab, die uns Männern das Fürchten lehrten, bei deren Anblick sich uns die Nackenhaare sträubten. Und wie will man sie beschreiben? Als Heldinnen? Oder als eine Perversion des Krieges? Man wird sich da nie einig werden – und ein Sauerbraten mit rohen Klößen und Rotkohl wird allen viel wichtiger sein!« Er blickte Pjotr nachdenklich an. »Was würdest du sagen?«
    »Sie waren Mädchen mit den Wünschen und Sehnsüchten aller Mädchen. Und sie töteten auf Befehl zum Schutze ihrer Heimat – wie wir für Führer und Vaterland. So einfach ist das.«
    »Ja, so einfach.« Ursbach nickte. »Du, sie kommen von der Besichtigung zurück! Gib mir nicht die Hand! Leb wohl, Peter. Mach's gut!«
    »Du auch.« Pjotr schluckte mehrmals. »Und wenn du nach Hause kommst – grüß mir Deutschland! Und – laß mich tot sein. Ich bin der Taiga-Jäger Salnikow. Gott beschütze dich.«
    »Daß du das sagst, ist mehr als ein Segen!« Ursbach atmete tief auf. »Sei immer glücklich, Peter, mit Stella Antonowna …«
    Er wandte sich ab und ging um den Lastwagen herum, zurück zur Kommandantur, und Pjotr ging zur anderen Seite, winkte Stella zu und lachte ihr entgegen. Aber als sie ihm in die Augen blickte, wußte sie, daß er nach innen weinte.
    In dieser Nacht wurde Nani, ihre Tochter, gezeugt.
    Es war heller
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