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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten
Autoren: Reinhard Barth
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der Entstehung der letzten Inschriften mit altägyptischen Hieroglyphen (griechisch »heilige
     Zeichen«) war in Vergessenheit geraten, wie sie zu lesen sind. Man deutete sie als Bilderschrift und entwarf die abenteuerlichsten
     »Übersetzungen«. Erst der Franzose Jean François Champollion (1790–1832) fand den Schlüssel zum Verständnis. Es war seine
     Idee, nicht die Bilder zu deuten, sondern den Zeichen Laute einer altorientalischen Sprache zuzuordnen. Und den letzten Beweis
     dafür, dass er richtig lag, lieferte ihm der Name der Frau, um die es hier geht und die damals schon 1850 Jahre tot war: Kleopatra.
    Champollion hatte auf dem von napoleonischen Truppen aus Ägypten mitgebrachten Dreisprachenstein von Rosette im Text einige
     Wörter entdeckt, die offenbar zur Hervorhebung oval umrandet waren, also in einer so genannten Kartusche standen. Darin den
     Namen des Königs zu vermuten, lag nahe, und der lautete Ptolemaios, ausweislich der griechischen Übersetzung auf dem Stein.
     Doch die Basis von nur einem Namen war zu schmal für eine durchgängige Entzifferung des in Hieroglyphen abgefassten Textes.
     Erst als im Jahr 1815 der Obelisk von Philae gefunden und 1821 nach Europa gebracht worden war, fand Champollion weitere Hinweise
     für diese Theorie: Die Inschrift darauf zeigte ebenfalls den Namen Ptolemaios in einer Kartusche, dazu aber einen zweiten
     gerahmten, den die griechische Übersetzung mit Kleopatra wiedergab.
    Jetzt waren Vergleiche möglich, jetzt begannen auch die anderen Wörter zu klingen, und die Steine fingen an zu reden. Viel
     Neues berichteten sie allerdings nicht. Immerhin ließen sich nun einige Inschriften und Dokumente übersetzen, die das von
     der römischen »Feindpropaganda« verfälschte Bild der Königin etwas korrigierten.
    »Unsere« Kleopatra – es gab bereits sechs Vorgängerinnen gleichen Namens – kam gegen Ende des Jahres 69 v. Chr. als Tochter
     des ägyptischen Königs Ptolemaios XII. zur Welt. Er trug den Beinamen »Auletes« (Flötenspieler), weil er es sich nicht nehmen
     ließ, oft und gern selbst musikalisch zur Unterhaltung beizutragen. Vielleicht hatte die musische Vorliebe die Aufmerksamkeit
     des Königs für politische Entwicklungen etwas getrübt. Er wurde jedenfalls um das Jahr 60 v. Chr. durch Unruhen zum Verlassen
     seiner Residenz in Alexandria gezwungen und musste in Rom Hilfe suchen. Da er nicht unbeträchtliche Mittel beiseite geschafft
     hatte, fiel ihm das nicht schwer. Nachdem er die wichtigsten |23| Entscheidungsträger, darunter Cäsar und den Feldherrn Pompeius, hinreichend bestochen hatte, konnte er im Jahr 55 v. Chr.
     mit römischem Militärbeistand wieder den ägyptischen Thron besteigen.
    Wir wissen nicht genau, ob ihn seine kleine Tochter ins römische Exil begleitet hatte, doch spricht einiges dafür. Sie beherrschte
     jedenfalls neben vielen orientalischen Sprachen und neben dem Griechischen – der Vater entstammte ja einer griechischen Dynastie
     – auch das Lateinische fließend. Überhaupt wird ihre Bildung und charmante Weltläufigkeit in den Quellen hervorgehoben. Bemerkenswert
     vor allem auch, dass sie Ägyptisch verstand, für eine Ptolemäerin keineswegs selbstverständlich. Hier vermutet die Forschung
     den Einfluss der Mutter, über die leider nichts bekannt ist, die womöglich aber aus einer der vornehmsten ägyptischen Familien
     stammte.
    Diese Verwurzelung im Staatsvolk hatte wohl auch dazu geführt, dass Kleopatras ältere Schwester Berenike nach Vertreibung
     des Vaters regiert hatte, die demnach ja ebenso eine Halbägypterin gewesen sein musste. Gegen den römischen Druck aber konnte
     sie sich nicht halten, wurde verhaftet und auf Befehl des Vaters umgebracht, ein Schicksal, das die damals 14-jährige Kleopatra
     eventuell hätte teilen müssen, wäre sie in Ägypten geblieben. Nichts beobachteten die Nil-Despoten aufmerksamer als das Verhalten
     möglicher Thronprätendenten in der eigenen Familie, wie am Schicksal aller Auletes-Kinder (mindestens sechs) zu sehen ist:
     Keines starb eines natürlichen Todes. Den ungewöhnlichsten allerdings erlitt Kleopatra selbst, und wie es dazu kam, das ist
     die Geschichte, die Dichter und Historiker seit ihrer Zeit nicht ruhen lässt.
    Und sie können den Faden gar nicht früh genug aufnehmen. Schon beim griechischen Geschichtsschreiber Appian, der gut anderthalb
     Jahrhunderte nach Kleopatra in Ägypten lebte, finden wir die Behauptung, Auletes sei von den Römern
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