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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot
Autoren: Roland Stark
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nirgendwo Patientenakten oder einen Computer gefunden. Ansonsten
schaust du am besten selbst.«
    Das hatte Mayfeld auf jeden Fall vorgehabt. Lass den
Tatort zu dir sprechen, hatte ihm sein Lehrer Oskar Brandt beigebracht.
    »Ist sie hier in diesem Raum getötet worden?«, fragte
er Adler.
    »Das kann ich noch nicht sagen«, antwortete der
Kollege. »Schleifspuren haben wir keine gefunden.«
    Sie gingen in die Diele des Hauses. Sie war mit
Sitzkissen und Holztischchen als Wartebereich für die jungen Patienten
eingerichtet. Zwischen Plüschtieren, Star-Wars-Figuren und kleinen Dinosauriern
lagen illustrierte Märchenbücher und Comics.
    Zwei Männer mit einem Sarg kamen durch die Eingangstür
und drängten sich an ihnen vorbei.
    »Kommt niemand von der Gerichtsmedizin?«, fragte
Mayfeld.
    Adler schüttelte den Kopf. »Der diensthabende Arzt ist
in einer anderen Leichensache in Frankfurt unterwegs, sie untersuchen die
Leiche morgen.«
    »Die Eingangstür war verschlossen?«
    Adler nickte.
    Mayfeld warf einen Blick nach draußen. Ein hölzerner
Vorbau, eine Art geschlossene Veranda, diente als Windfang vor dem Hauseingang.
An einer Wand der Veranda waren Garderobenhaken angebracht, in einer Ecke
standen ein Schirmständer und ein Schuhregal.
    »Und diese Tür?« Er deutete auf die Tür des Vorbaus.
    »War nicht abgeschlossen«, antwortete Adler.
    Mayfeld ging zurück in die Diele und deutete auf eine
weitere Tür. »Wohin geht es da?«
    »In die Privaträume von Holler.« Winkler schaltete
sich wieder in das Gespräch ein. »Das ganze Haus ist ziemlich verwinkelt.
Hinter dem Behandlungsraum, in dem wir die Tote gefunden haben, schließt sich
das Büro der Praxis an, von dort kommt man ebenfalls in die Privaträume von
Frau Holler.«
    »Dann gehen wir erst mal zurück«, schlug Mayfeld vor.
    Im Behandlungsraum hievten die beiden Männer gerade
die Leiche von Holler in den Sarg. Durch eine weitere Tür gelangten die Beamten
in das Büro der Praxis. Ein Fenster gab den Blick auf die herbstlichen Farben
des Waldrands hinter dem Haus frei, dunkle Bücherregale füllten die Wände des
Büros. In der Mitte des kleinen Raums stand ein alter, kunstvoll gedrechselter
Schreibtisch aus Nussbaumholz.
    Eine Schreibtischlampe beschien die blank polierte
Tischplatte. Hinter dem Tisch saß Burkhard und durchsuchte die Schubladen.
    »Hier gibt es auch keine Patientenakten«, sagte er.
    Mayfeld warf einen Blick auf die Bücher in den
Regalen. Bücher über Psychoanalyse, über die Psychologie und Behandlung von
Kindern und Jugendlichen, literaturwissenschaftliche Bücher über Märchen und
Mythen. Ein Buch hatte Sylvia Holler selbst geschrieben: »Märchenhafte Heilung – Über die Verwendung von Märchen und Mythen in der Psychotherapie«.
    In das Bücherregal hinter dem Schreibtisch war eine
Tür eingelassen. Sie führte die Beamten in das Wohnzimmer von Frau Holler.
Fenster in drei der vier Wände öffneten den Raum nach draußen, zum Waldrand
hin, zum Garten und zur Straße.
    Links der Tür stand ein Kachelofen. Ein
beeindruckendes Kunstwerk, das vom Holzdielenboden bis unter die Decke reichte.
Jede einzelne Kachel war bemalt. Ein Esel, ein Hund, eine Katze, ein Hahn. Ein
Lebkuchenhaus. Ein Brotofen, ein Apfelbaum. Ein Tisch voller Leckereien, ein Esel
und ein Knüppel. Ein Kater in Stiefeln. Ein Frosch mit einer Krone auf dem Kopf
und einer goldenen Kugel zwischen den Schwimmhäuten. Viele Märchen der Gebrüder
Grimm waren mit ihren Protagonisten vertreten. Um den Kachelofen waren drei
schwere, mit grünem Leder bespannte Sessel gruppiert. Mayfeld setzte sich auf
einen der Sessel und ließ den Blick durch das Zimmer wandern.
    In der Ecke rechts hinten hing ein riesiger Gong von
der Decke herab, darunter lagen mehrere wuchtige Klöppel. Gegenüber stand ein schwarzer
Stutzflügel von Grotrian-Steinweg. Die Balken des Fachwerks waren teilweise
offen gelegt, auf den hellen Holzdielen lagen Perserteppiche, rund um den
gesamten Raum liefen dunkle, halbhohe Holzregale, überbordend mit Büchern
beladen. Lediglich an der Stirnseite des Zimmers, zwischen Gong und Flügel, war
Platz für ein Sideboard gelassen worden, auf dem eine Musikanlage stand.
    »Der CD -Player fehlt«,
bemerkte Winkler und wies auf die Lücke zwischen Plattenspieler und Receiver.
    »Dr. Holler hat einen Einbrecher überrascht und
wurde von ihm getötet«, vermutete Burkhard und setzte sich Mayfeld gegenüber.
    »Oben im Schlafzimmer liegt eine
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