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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen
Autoren: Jan Zweyer
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Tat
verstehen.
    Erschüttert
ließ Goldstein die Hand mit dem Papier sinken. »Er hat
keinen dieser Briefe jemals abgeschickt«, stellte er fest.
»Trotzdem hat er in ihnen versucht, den Mord zu
rechtfertigen. Was geht nur in diesem Mann
vor?« 
    »Keine
Ahnung«, erwiderte Wilfried Saborski ungerührt.
»Für mich ist er ein Schwein.« Er steckte die
Briefe zurück in die Umschläge und verstaute diese
gemeinsam mit dem Kästchen, in dem sich die Kette befand, in
seiner Innentasche.
    Goldstein streckte
besitzergreifend die Hand aus. »Das sind meine
Beweise«, bemerkte er konsterniert.
    »Das waren Ihre
Beweise«, erwiderte Saborski kühl und wandte sich zum
Gehen. »Die Treppmanns werden entscheiden, wie wir damit
verfahren.«

57
    Mittwoch, 14.
März 1923
    Das Gericht, welches
über das Schicksal Ewald Wiedemanns entschied, tagte in der
Wohnküche der Treppmanns.
    Goldstein hatte
mehrere Versuche unternommen, Wilfried Saborski davon zu
überzeugen, ihm die Briefe und die Kette auszuhändigen
und nicht den Treppmanns zu übergeben. Doch vergebens.
»Das haben Sie nicht zu entscheiden«, lautete die
stereotype Antwort Saborskis.
    Goldsteins Bemerkung,
dass die Unterdrückung von Beweismitteln strafbar sei,
entlockte Saborski nur ein mitleidiges Grinsen.
    Nun hockte Erna
Treppmann mit tränenüberströmtem Gesicht auf ihrem
Stuhl. Immer wieder führte sie das Medaillon zu ihrem Mund,
küsste es und strich es über ihre Wange, ganz so, als ob
sie nicht ein kaltes, totes Stück Metall, sondern ihre Tochter
liebkoste.   
    Ihr Mann Hermann
stierte auf das letzte der Schreiben, welche die beiden Männer
in dem Geheimfach entdeckt hatten, und stöhnte auf.
Plötzlich sprang er von seinem Stuhl, lief zum Waschbecken,
öffnete das Ventil und spritzte sich mit beiden Händen
kaltes Wasser ins Gesicht. Ohne sich abzutrocknen, kehrte er an den
Tisch zurück und fragte mit stockender Stimme: »Was
passiert nun mit dem Mörder unserer Tochter?«
    »Ich werde einen
Bericht schreiben«, erwiderte Goldstein. »Der wird an
die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die dann entscheidet, ob
Anklage gegen Wiedemann erhoben wird.«
    »Wo? In
Berlin?«, spottete Saborski.
    »Natürlich
nicht, sondern beim zuständigen Gericht.«
    »Und das ist wo?
Das Schwurgericht in Bochum?«
    »So ist
es.«
    »Eine gute Idee.
Die meisten der Staatsanwälte und Richter sind von den
Franzosen ausgewiesen worden. Die noch hier sind, dürfen
keinen Schritt ohne Erlaubnis der Militärbehörden tun.
Sollen die Franzosen über Wiedemann
urteilen?«
    »Warum denn
nicht?«
    Saborski
schüttelte entgeistert den Kopf. »Sie sind wirklich
nicht ganz bei Trost. Wiedemann ist Deutscher, er ist
…«
    »Ein deutscher
Mörder«, unterbrach ihn Goldstein.
    »Wie auch immer.
Er ist ein Patriot. Und deswegen werde ich ihn nicht an die
Besatzerjustiz ausliefern. Unter keinen
Umständen.«
    »Dann darf ein
deutscher Patriot also ungestraft morden?« Goldstein hatte
bewusst einen scharfen Ton angeschlagen.
    »Verwechseln Sie
soldatisches Töten nicht mit Mord«, gab Saborski
zurück. »Natürlich muss Wiedemann zur Rechenschaft
gezogen werden. Die Frage ist nur, wer ihn richtet. Wir oder die
Franzosen.«
    Hermann Treppmann sah
mit feuchten Augen in die Runde. »Ich werde es tun«,
sagte er mit schwerer Stimme.
    »Du bist dir
sicher?«, fragte Saborski.
    Treppmann antwortete
mit einem Nicken.
    »Dann soll es so
sein.«
    »Das wäre
Selbstjustiz«, empörte sich Goldstern. Er wandte sich
direkt an Treppmann: »Belasten Sie nicht Ihr Gewissen mit
einer solchen Tat. Ich werde das nicht zulassen.«
    »Wie wollen Sie
das verhindern?«, fragte Saborski gedehnt und zog seine
Luger.
    Goldstein zuckte
zusammen. »Wollen Sie mich etwa doch noch
erschießen?«
    »Nur ungern.
Aber wenn Sie mich dazu zwingen … Und nun kommen Sie
mit«, befahl er ungerührt.
    »Wohin?«
    »In den Keller.
Dort werden Sie warten, bis alles vorbei ist. Kann ein paar Stunden
dauern. Dann können Sie zurück nach Berlin und Ihre
Berichte schreiben.«
    Goldstein erkannte,
dass er keine Wahl hatte.
    Der Keller war niedrig
und feucht. Direkt hinter der Treppe befand sich eine schwere
Eisentür, die Treppmann öffnete.
    »Der
Kohlenkeller«, erklärte er. »Licht ist leider
nicht. Aber in der Nische dort steht eine Kerze.« Er steckte
sie in Brand und hielt eine weitere hoch. »Hier sind noch
zwei. Dürfte
reichen.«    
    Saborski schob
Goldstein in den fensterlosen Raum und zeigte auf einige
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