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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen
Autoren: Jan Zweyer
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Bruder
schützen!
    Erna Treppmann ergriff
wieder das Wort. »Es ist Ihnen anzusehen, dass Sie
darüber nachdenken, ob Ewald Wiedemann als Täter infrage
kommt. Das haben wir auch schon getan. Aber wir haben nicht nur ihn
verdächtigt. Jeder, der in den vergangenen Jahren mit Agnes
mehr als zwei Worte gewechselt hat, erschien uns plötzlich als
Mörder. Bei jedem, der uns sein Mitleid zum Verlust unserer
Tochter aussprach, haben wir uns insgeheim gefragt: War er es? Oder
sie? Agnes ist
jetzt fast zwei Monate tot. Glauben Sie uns, Herr Goldstein, wir
wünschen uns nichts sehnlicher, als dass Agnes’
Mörder seine gerechte Strafe erhält. Aber auch wir
müssen unseren Frieden finden. Wir können nicht nur mit
Misstrauen leben. Wiedemann wollte Agnes heiraten, aber sie nicht
ihn. So etwas kommt vor. Aber deshalb jemand umbringen? Dann
gäbe es vermutlich sehr viele Morde an jungen Frauen in
unserer Stadt. Nein, wir halten Wiedemann nicht für den
Täter. Das würde er vor allem seiner Schwester nie
antun.«
    Langsam erhob sich
Hermann Treppmann von seinem Stuhl. »Meine Frau hat
recht«, sagte er mit belegter Stimme. »Wir müssen
wirklich unseren Frieden finden. Aber ich kann das erst, wenn ich
weiß, wer Agnes auf dem Gewissen hat.« Dann stieß
er hervor: »Einer muss dafür bezahlen. Das verspreche
ich bei allem, was mir heilig ist. Irgendwann muss jemand
bezahlen.« In seinen Augen standen Tränen.

55
    Mittwoch, 14.
März 1923
    Nachdem er die
Treppmanns verlassen hatte, lief Goldstein durch die Gegend, um
seine Gedanken zu sortieren und sich über sein weiteres
Vorgehen klar zu werden. Nach zwei Stunden hatte er einen
Entschluss gefasst.    
    Gegen Mittag klopfte
er an Marthas Haustür. Sie schien nicht überrascht, ihn
zu sehen.
    »Komm
rein«, sagte sie und ging voraus in die Küche. »Du
bist also abgehauen«, stellte sie lapidar fest und setzte
sich an den Tisch. »Wilhelm Gleisberg hat es mir
erzählt. Vermutlich weiß er es von diesem
Saborski.«
    »Haben die
Franzosen nach mir gesucht?«
    »Bei mir
jedenfalls nicht.«
    »Darf ich mich
setzen?«
    »Seit wann
bittest du um Erlaubnis?«, erwiderte sie
kühl.
    Goldstein nahm Platz.
Er hatte sich dazu entschieden, Martha ohne Umschweife nach den
Gründen für ihr Verhalten in der letzten Zeit zu
befragen. Vielleicht lockte er sie aus der Reserve und sie
erzählte etwas über ihren Bruder.
    »Das fragst du
dich?«, erwiderte sie, nachdem er geendet hatte. »Du
gehst mit mir ins Bett und wunderst dich, dass ich mir Sorgen um
dich mache? Mein Bruder hat mir erzählt, dass du seiner
Meinung nach einer fixen Idee hinterherrennst. Sicher, Julian mag
nicht der Täter gewesen sein. Aber vielleicht ein anderer
Franzose. Wen interessiert es eigentlich noch, wer wirklich die
Schuld an Agnes’ Tod trägt? In diesen
Zeiten!«
    »Mich«,
gab er zurück. »Und ihre Eltern.«
    »Dass du diese
Reihefolge wählst, ist bezeichnend.« Ihr Tonfall wurde
schärfer. »Um was geht es dir
eigentlich?«
    »Um die
Wahrheit.«
    »Wahrheit. Pah!
Wenn ich das höre. Meiner Meinung nach geht es dir in erster
Linie um dich, um deinen Erfolg. Du willst recht behalten, um jeden
Preis. Und bringst mit deiner Sturheit nicht nur dich, sondern auch
andere in Gefahr.«
    »Wen meinst
du?«, fragte er verdattert.
    »Mich zum
Beispiel. Oder auch meinen Bruder. Und die anderen, die dir
geholfen haben. Je länger du hierbleibst, desto
gefährlicher wird die Situation für uns alle. Die
Franzosen suchen dich. Warum gibst du dich nicht mit den
Ergebnissen deiner Ermittlungen zufrieden und fährst
zurück nach Berlin? Julian war es nicht und der wahre
Täter ist nicht auszumachen. Punkt und aus. Reicht das
nicht?«
    Je länger
Goldstein Martha zuhörte, umso ärgerlicher wurde er. Zornig
stieß er hervor: »Du wusstest doch, dass dein Bruder
Agnes heiraten wollte, sie ihn aber zurückgewiesen hat. Und
das Tagebuch kennst du auch. Bist du deshalb so ungehalten
über meine Arbeit? Willst du deinen Bruder
decken?«
    Für einen Moment
war es, als ob ein kalter Wind durch den Raum wehte.
    Martha sprang auf.
Ihre Augen blitzten. Gedehnt antwortete sie: »Was willst du
damit sagen?«
    Goldstein suchte nach
einer Antwort. Er hätte seinem Ärger nicht freien Lauf
lassen dürfen. Wenn Wiedemann tatsächlich etwas mit
Agnes’ Ermordung zu tun hatte, wäre es weitaus
klüger gewesen, kein Wort über den Verdacht zu verlieren.
Martha würde ihrem Bruder sicherlich von dieser
Auseinandersetzung erzählen und
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