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Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine

Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine

Titel: Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine
Autoren: Don Winslow
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auf die Ecke Eleventh Street und Island Avenue zu, wo die alten Männer auf Pappen am Rand des Gehwegs kampieren, humpelt vorbei an der Reihe der schlafenden Obdachlosen. Hört ihr Gebrabbel und Gestöhne, riecht sauren Schweiß und alten Urin, den Gestank ungewaschener Haut.
    Er bleibt vor der Tür der Island Tavern stehen und klopft. Die Kneipe ist geschlossen, aber er weiß, dass die hartgesottenen Trinker dort drinnen zum Morgentrunk versammelt sind. Nach einer Weile öffnet sich die Tür, ein gelbsüchtiges Auge späht hinaus.
    »Ist Corky da?«, fragt Frank.
    »Wer bist du?«
    »Frank Machianno.«
    Frank hört Getuschel, dann geht die Tür auf, der alte Mann – Frank überlegt eine Weile, bis ihm einfällt, dass er Benny heißt – lässt ihn ein und zeigt auf die Bar.
    Detective (i. R.) »Corky« Corchoran sitzt gebeugt auf einem Barhocker, in der einen Hand das klobige Whiskeyglas, in der anderen die Zigarette.
    Frank setzt sich neben ihn.
    »Lange her, Corky.«
    »Lange her.«
    Damals – bevor die Flasche und die Verbitterung von ihm Besitz ergriffen – war Corky ein verdammt guter Cop. Wie eine Menge andere Polizisten ließ er sich gratis bedienen und nahm auch gern mal einen Umschlag, um ein Auge zuzudrücken, solange es nur um Prostitution und Glücksspiel ging. Aber wenn es ernst wurde, war Corky knallhart, und das wussten alle.
    Wer eine Frau schlug, einen Zivilisten verletzte, jemanden außerhalb der Regeln umlegte, hatte Corky im Nacken. Und wer Corky im Nacken hatten, wurde ihn nicht mehr los.
    Aber das ist lange her.
    »Ein Drink, Corky?«
    »Dachte schon, du hast vergessen zu fragen.«
    Corky war nie sonderlich groß, aber er scheint eingeschrumpft zu sein, denkt Frank, als er Benny ein Zeichen gibt. Sein Haar ist dünn geworden, seine Haut spannt sich gelblich über das abgemagerte Gesicht.
    »Ich brauche deine Hilfe, Corky.«
    Corky trinkt sein Glas aus, dann nimmt er das neue von Frank und kippt es hinterher. »Was kann ich für dich tun?«
    »Summer Lorensen. Ein Begriff?«
    Corky mustert ihn mit leerem Blick und schüttelt den Kopf.
    »Das war 1985«, hilft Frank nach. »Da warst du im Morddezernat. Die vielen Prostituiertenmorde.«
    »›Kein Personenschaden.‹«
    »›Kein Personenschaden‹«, wiederholt Frank. »Genauso hieß es. Ihre Leiche wurde auf Mount Laguna gefunden, im Straßengraben.«
    Corky sitzt da und grübelt. So lange, dass Frank denkt, der alte Cop ist schon abgedriftet, zurück ins Nirvana. Da sagt Corky: »Sie hatte Steine im Mund.«
    »Stimmt«, sagt Frank. »Der Mord blieb ungeklärt und wurde später dem Green-River-Mörder zugeschrieben.«
    Corky holt die Schachtel aus der Hemdtasche und zündet eine neue an. Seine Hände zittern. »Das war nicht der verdammte Green-River-Mörder. Dem haben wir damals alles in die Schuhe geschoben. Der war unser Mülleimer für ungelöste Fälle.«
    »Woher weißt du das?«, fragt Frank. »Dass er’s nicht war?«
    Corky hat plötzlich einen Ausdruck kristalliner Klarheit, wie er bei Trinkern manchmal vorkommt. Es passiert nicht oft und dauert nicht lange, aber jetzt ist so ein Moment gekommen, und Frank hofft, dass er eine Weile anhält.
    »Erstens«, sagt Corky, »wurde sie erschlagen, nicht erwürgt. Der Green-River-Mörder hat seine Opfer erwürgt. Sie hatte Würgemale an der Kehle, aber die waren post mortem. Zweitens keine Spuren von Missbrauch. Unser Mann hat seine Opfer vergewaltigt. Drittens, sie wurde nicht dort auf der Straße ermordet.«
    »Wieso nicht?«
    »Keine Blutspuren, Frankie. Sie war lange vorher verblutet.«
    »Aber sie hatte Steine im Mund.«
    »Na und?«, meinte Corky. »Meinst du, der Mörder konnte nicht Zeitung lesen?«
    »Wenn du es gewusst hast –«
    »Ich musste alles abbrechen«, sagt Corky. »Befehl von oben. ›Legen Sie den Fall Lorensen zu den Akten. Ist kein Personenschaden.‹«
    Corky nimmt einen langen Zug von seiner Zigarette.
    »Für mich war das der Anfang vom Ende, Frank«, sagt er. »Der Anfang einer verdammt langen Rutschpartie.«
    Frank holt zwei Hunderter aus der Brusttasche und drückt sie Corky in die Hand. Wie in alten Zeiten.
    »Halt dich bedeckt«, sagt Frank. »Sag keinem, dass du mit mir gesprochen hast.«
    Corky starrt ihn an. »Du willst es mit denen aufnehmen, Frank? Lass es lieber sein. Wenn du nicht so enden willst wie ich.«
    »Du bist okay, Corky.«
    »Den Sommer erlebe ich nicht, Frankie.«
    Und weg ist er. Sein Blick erlischt und richtet sich in weite Ferne. Frank
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