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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
Autoren: Unbekannter Autor
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Dies war die Gelegenheit, von hier fortzukommen? Dies war der Ausgleich dafür, am unglückseligsten Tag des ganzen Jahres geboren zu sein? Dass ich jetzt reisen konnte? Jetzt? Ich war zu schwach, um mich zu bewegen, zu erschöpft, um mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Jetzt war es so weit?
    Ich habe keine Ahnung, ob ich nun stunden- oder minutenlang
    wie in Selbsthypnose auf das Portal starrte. Dann hörte ich meinen Namen, einen der vielen, die sich inzwischen angesammelt hatten, durch die Kalksteinhöhlen hallen.
    »Chloe, Chloe? Mon Dieu !«
    Dann kniete er vor mir, verschwitzt, aber am Leben. Cheftu warf einen Blick über seine Schulter und fluchte. N’tan war im Durchgang stehen geblieben. »Seit Generationen hat unser Volk von diesem Gebilde gehört, aber es zu sehen ist ...«
    Er verstummte.
    »RaEm ist -«, krächzte ich.
    »Wir wissen es.«
    »Ich habe sie umgebracht.«
    »Sie lag schon im Sterben, chère.«
    »Dion?«
    Cheftu seufzte. »Ist verschwunden.«
    Da war noch etwas, das mir keine Ruhe ließ.
    »Der Bundeslade ist nichts passiert?« Seitdem RaEm mich gewürgt hatte, klang meine Stimme schrecklich.
    »Sie wurde versiegelt und das Tabernakel wieder darüber aufgebaut.«
    Dann schlug es erneut zu: mein Wissen, meine bizarren naturwissenschaftlichen Kenntnisse.
    »Entschärft die Bundeslade«, flüsterte ich.
    Cheftu sah auf das Portal. »Wie meinst du das?«
    »Sie ist eine Zeitbombe, die jederzeit in die Luft gehen kann. Sobald sie geöffnet wird, können die Flöhe heraus, nicht wahr?«
    N’tan nickte.
    »Ihr müsst sie vernichten.«
    »Und wie?«, fragte der Tzadik.
    Cheftu und ich antworteten ihm im Chor. »Entfernt das Manna und den Stab.«
    »Woher weißt du das?«, hauchte ich verblüfft.
    »Woher weißt du das?«, fragte er mich.
    »Es ist ihre Nährlösung. Solange die Flöhe etwas haben, von dem sie sich ernähren können, vermehren sie sich. Sobald man ihnen die Nahrung nimmt, werden sie sterben. Wieso hast du das gesagt?«
    »Weil laut der Heiligen Schrift nur noch die Tafeln in der Lade lagen, als Salomon sie in den Tempel bringen ließ.«
    Es blieb still.
    »Rädchen im Getriebe«, krächzte ich heiser. N’tan schlich davon, während mein Blick fest auf Cheftu lag.
    »Heute ist der Tag.« Cheftu drückte meine Hand.
    Ich blickte über seine Schulter auf das tiefer werdende blaue Glühen. »Willst du?«
    Er seufzte.
    »Eine schwere Entscheidung. Hier haben wir alles.«
    »Genau. Ein Heim.«
    »Mehr noch, chérie, wir haben einander.« Er drehte sich zum Portal um. »Und die Freiheit, den Einen Gott anzubeten. Das war uns noch nie gestattet.«
    Ich wickelte seine Schläfenlocke um meinen Finger; ich fühlte mich schwach, doch ich musste ihn irgendwie berühren. »Gefällt dir das Leben als Jude?«
    Ein weises Lächeln blitzte in seinem dunklen Bart auf. »Wir sind keine Juden, wir leben unter dem jüdischen Volk.«
    »Du hast einen phantastischen Job hier«, überlegte ich.
    »Und du kannst tun und lassen, was du willst«, entgegnete er. »Du bist der Liebling des Hofes.«
    »Aber gehören wir hierher?«
    Er gab mir einen tiefen, innigen Kuss, bei dem er mich anhob, damit ich nicht aus seinen Armen sackte. »Gehören wir denn überhaupt irgendwohin?«, fragte er.
    Das Leuchten wurde heller, intensiver, es kroch über den gesamten weißen Raum und legte sich über Cheftus Gesicht, wodurch sein Gesicht etwas Außerirdisches bekam. »Das hoffe ich doch. Die Vorstellung, wir könnten für alle Zeiten Fremde
    bleiben, ist deprimierend.«
    »Lo, chérie, du hast mich nicht richtig verstanden. Ich frage mich, ob wir überhaupt irgendwohin gehören, denn schließlich könnten wir in jede beliebige Zeit eintreten. Es gibt bestimmt nicht viele Menschen, die so viel über die Zukunft wissen wie du, ohne aus ihrem Wissen Vorteil zu schlagen.«
    Wie RaEm bewiesen hatte.
    »Nicht viele Menschen könnten so mir nichts, dir nichts ihren Körper wechseln und sich unter neuen Völkern, in neuen Religionen und neuen Sprachen zurechtfinden.« Er sah mich an und hielt mein Gesicht fest, sodass auch ich von dem blauen Licht angestrahlt wurde. »Dies ist unsere Chance. Du brauchst nur ein Wort zu sagen, und wir bleiben hier. Dann werden wir in Tziyon leben, den Einen Gott anbeten, unsere Kinder großziehen, uns auf den Feldern lieben oder an andere Höfe reisen, ganz wie du willst.«
    Ich zog die Stirn in Falten und wich seinem beschwörenden Blick aus. »Wieso liegt die Entscheidung bei mir?« Selbst von
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