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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter
Autoren: Isabel Allende
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überschäumenden Lebenskraft des Kapitäns und nichts von der langweiligen Feierlichkeit ihres Bruders Jeremy, sie war eine Frau, in deren Augen es sprühte, als wäre sie jederzeit bereit, in ein reizendes Lachen auszubrechen. Und wenn sie lachte, erschien um ihre Augwinkel ein Netz feiner Fältchen, und es war gerade das, was Jacob Todd am meisten anzog. Ihr Alter vermochte er nicht einzuschätzen, zwischen zwanzig und dreißig vermutlich, aber er nahm an, daß sie in zehn Jahren noch genauso aussehen werde, sie war schlank und rank und hatte die Haltung einer Königin. Sie war hinreißend in pfirsichfarbenen Taft gekleidet und trug keinen Schmuck außer einem Paar schlichter Korallenohrringe.
    Die elementarste Höflichkeit gebot, daß er sich darauf beschränkte, den Handkuß nur vorzutäuschen, aber inzwischen war sein Verstand hinreichend verwirrt, und ohne zu begreifen, was er tat, vollbrachten seine Lippen einen kräftigen Kuß. So unpassend war diese Begrüßung, daß beide einen endlosen Augenblick lang in Unschlüssigkeit verharrten - er hielt ihre Hand fest, als hätte er einen Degen gepackt, sie betrachtete das bißchen Spucke, wagte aber nicht, es abzuwischen, um den Gast nicht zu beleidigen -, bis ein kleines, wie eine Prinzessin gekleidetes Mädchen die Szene unterbrach. Todd kam zu sich, und als er sich aufrichtete, nahm er eben noch ein spöttisches Grinsen von einem Bruder Sommers zum anderen wahr. Bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, wandte er sich mit übertriebener Aufmerksamkeit dem Kind zu, fest entschlossen, es für sich zu gewinnen.
    »Das ist Eliza, unser Schützling«, sagte Jeremy Sommers.
    Jacob Todd beging seinen zweiten Schnitzer. »Was soll das heißen, Schützling?« fragte er.
    »Das heißt, ich gehöre nicht zu dieser Familie«, erklärte Eliza geduldig in einem Ton, als spräche sie zu einem Trottel.
    »Nein?«
    »Wenn ich mich schlecht benehme, schicken sie mich zu den papistischen Nonnen.«
    »Was sagst du da, Eliza! Beachten Sie das nicht, Mr. Todd. Kindern fallen oft die seltsamsten Dinge ein.
    Selbstverständlich gehört Eliza zu unserer Familie«, mischte Rose sich ein und erhob sich.
    Eliza hatte den Tag bei Mama Fresia verbracht und ihr beim Kochen geholfen. Die Küche lag im Patio, aber Miss Rose hatte sie durch einen überdachten Gang mit dem Haus verbinden lassen, um die Peinlichkeit zu vermeiden, daß die Gerichte etwa kalt oder von Taubendreck bespritzt auf den Tisch kämen. Dieser von Fett und Ruß geschwärzte Raum war das unumstrittene Reich Mama Fresias. Katzen, Hunde, Gänse und Hühner spazierten nach Lust und Laune über den ungewachsten Steinfußboden; hier verbrachte die Ziege, die Eliza genährt hatte, wiederkäuend den Winter, und wenn sie auch schon sehr alt war, wagte niemand sie zu schlachten, denn das wäre gewesen, als ermordete man eine Mutter. Das Kind liebte den Geruch aus den Backtrögen, wenn der Sauerteig unter Seufzen den geheimnisvollen Vorgang des Treibens verrichtet; es liebte das Aroma von karamelisiertem Zucker, wenn er zur Verzierung von Torten geschlagen wird, und den Duft von Schokolade, wenn sie sich in der Milch auflöst. An den Gesellschaftsmittwochen traten die Mucamas in Tätigkeit, zwei halbwüchsige Indias, die mit im Haus wohnten und für ihr Essen arbeiteten. Sie polierten das Silber, bügelten die Tischdecken und zauberten Glanz auf das Kristall. Am Mittag wurde der Kutscher zur Konditorei geschickt, um Süßigkeiten zu kaufen, deren Rezepte eifersüchtig gehütet wurden, seit die Kolonie bestand.
    Mama Fresia nutzte die Gelegenheit und hängte an das Geschirr der Pferde eine lederne Flasche mit frischer Milch, die sich bei dem Trab hin und zurück in Butter verwandelte.
    Um drei Uhr nachmittags rief Miss Rose Eliza in ihr Zimmer, wo der Kutscher und der Diener eine auf Löwenfüßen stehende bronzene Badewanne aufgestellt hatten, die die Mucamas mit einem Laken auslegten und mit heißem, mit Minze und Rosmarinblättern parfümiertem Wasser füllten. Rose planschte mit Eliza in der Wanne, als wäre sie selbst noch ein Kind, bis das Wasser zu kühl wurde und die Dienstmädchen wiederkamen, die Arme mit Kleidungsstücken beladen, um ihnen beim Ankleiden zu helfen: Strümpfe anziehen, Unterhosen, die bis zum Knie reichten, ein Batisthemd, dann ein kurzer Unterrock, über den Hüften gepolstert, um die Schlankheit der Taille zu betonen, darüber drei gestärkte Unterröcke und schließlich das Kleid, das den Körper völlig
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