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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter
Autoren: Isabel Allende
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Kairo importierte schwarze Zigaretten und blätterte in einer britischen Zeitschrift, deren Neuigkeiten ziemlich veraltet waren. Er seufzte dankbar: offensichtlich würde er keine Anpassungsprobleme haben, und wenn er sein Geld gut verwaltete, würde er hier fast so angenehm wie in London leben können. Er wartete, daß jemand zur Bedienung herbeieilte - offenbar hielt man nichts von Hast in diesen Breiten -, als John Sommers, der Kapitän des Schiffes, mit dem er gekommen war, zu ihm trat. Er war ein Hüne von Mann, dunkelhaarig, die Haut von der Sonne verbrannt wie Schuhleder, der gern mit seinen Fähigkeiten als tüchtiger Trinker, Frauenheld und ausdauernder Spieler prahlte, sei es mit Karten, sei es mit Würfeln. Sie waren gute Freunde geworden, und das Spiel hatte sie in den vielen langen Nächten auf hoher See unterhalten und an den stürmischen, eisigen Tagen, als sie das Kap Horn im Süden der Welt umschifften. John Sommers wurde von einem bleichen Mann mit gut– geschnittenem Bart begleitet, der von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet war und den er als seinen Bruder Jeremy vorstellte. Es würde schwerfallen, zwei verschiedenartigere Menschentypen zu finden. John wirkte wie das Urbild von Kraft und Gesundheit, freimütig, lärmig, liebenswert, während sein Bruder aussah wie ein in ewigem Winter gefangenes Gespenst. Er war einer jener Menschen, die niemals ganz anwesend sind und an die man sich nur schwer erinnert, weil ihnen feste Konturen fehlen, dachte Jacob Todd. Ohne eine Einladung abzuwarten, setzten sich beide an seinen Tisch mit der Ungezwungenheit von Landsleuten auf fremder Erde. Endlich erschien nun eine Kellnerin, und Kapitän John Sommers ließ eine Flasche Whisky kommen, während sein Bruder Tee bestellte in dem Kauderwelsch, das die Briten erfunden haben, um sich mit der Dienerschaft zu verständigen.
    »Wie stehen die Dinge zu Hause?« fragte Jeremy. Er sprach leise, fast murmelnd, kaum die Lippen bewegend und mit einem etwas gekünstelten Akzent.
    »Seit dreihundert Jahren passiert nichts in England«, sagte der Kapitän.
    »Entschuldigen Sie meine Neugier, Mr. Todd, aber ich sah Sie das Hotel betreten und konnte nicht umhin, Ihr Gepäck zu bemerken. Mir schien, da waren mehrere Kisten mit der Aufschrift ›Bibeln‹ dabei… Habe ich mich geirrt?« fragte Jeremy Sommers.
    »Es sind tatsächlich Bibeln.«
    »Niemand hat uns mitgeteilt, daß uns noch ein Pastor geschickt würde…«
    »Da sind wir drei Monate zusammen gesegelt, und ich habe nicht gemerkt, daß Sie ein Pastor sind, Mr. Todd!« polterte der Kapitän.
    »Das bin ich in Wirklichkeit auch nicht«, erwiderte Jacob Todd und verbarg seine Verlegenheit hinter einer Rauchwolke aus seiner Zigarette.
    »Ein Missionar also. Sie wollen nach Feuerland, nehme ich an. Die patagonischen Indios sind bereit für die Evangelisierung. Die Araukaner vergessen Sie besser, guter Mann, die haben die Katholiken schon für sich eingefangen«, sagte Jeremy Sommers.
    »Da kann doch nur noch eine Handvoll Araukaner übrig sein. Die Burschen haben den Drang, sich massakrieren zu lassen«, fügte sein Bruder hinzu.
    »Sie waren die wildesten Indios von ganz Amerika, Mr. Todd. Die meisten starben im Kampf gegen die Spanier.
    Sie waren Kannibalen.«
    »Schnitten sich Stücke aus den lebenden Gefangenen: sie hatten ihr Mittagessen gern frisch«, erklärte der Kapitän. »Und das würden Sie und ich genauso machen, wenn uns einer die Familie umbringt, das Dorf verbrennt und das Land raubt.«
    »Vortrefflich, John, jetzt verteidigst du schon den Kannibalismus!« erwiderte sein Bruder unwillig. »Auf jeden Fall, Mr. Todd, muß ich Sie warnen, kommen Sie nicht den Katholiken ins Gehege. Wir dürfen die Einheimischen nicht provozieren. Diese Leute sind sehr abergläubisch.«
    »Der fremde Glaube ist Aberglaube, Mr. Todd. Der unsere heißt Religion. Die Indios von Feuerland, die Patagonier, unterscheiden sich beträchtlich von den Araukanern.«
    »Genau die gleichen Wilden. Leben nackt in einem fürchterlichen Klima«, sagte Jeremy.
    »Bringen Sie ihnen Ihre Religion, Mr. Todd, vielleicht lernen sie wenigstens Hosen zu tragen«, bemerkte der Kapitän.
    Todd hatte noch nie von jenen Indios gehört, und etwas zu predigen, woran er selbst nicht glaubte, war das letzte, was er wollte, aber er getraute sich nicht, ihnen zu gestehen, daß seine Reise das Ergebnis einer Besäufniswette war. Er antwortete ausweichend, er gedenke eine missionarische Expedition auszurüsten,
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