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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter
Autoren: Isabel Allende
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müsse aber erst noch entscheiden, wie die zu finanzieren sei.
    »Hätte ich gewußt, daß Sie unterwegs sind, um diesen guten Leutchen die Absichten eines tyrannischen Gottes zu predigen, dann hätte ich Sie mitten im Atlantik über Bord geworfen, Mr. Todd.«
    Sie wurden von der Kellnerin unterbrochen, die den Whisky und den Tee brachte. Sie war ein blühendes junges Mädchen und steckte in einem schwarzen Kleid, Häubchen und Schürze waren weiß und gestärkt. Als sie sich mit dem Tablett vorbeugte, verbreitete sich ein verwirrender Duft nach zerriebenen Blumen und Kohleplätteisen. Jacob Todd hatte in den letzten Monaten keine Frau zu Gesicht bekommen und starrte sie an mit einem würgenden Gefühl der Verlassenheit. John Sommers wartete, bis sich das Mädchen zurückgezogen hatte.
    »Vorsicht, Mann, die Chileninnen sind gefährlich«, sagte er.
    »Kann ich mir nicht vorstellen. Sie sind klein, haben breite Hüften und eine unangenehme Stimme«, erklärte Jeremy Sommers, seine Teetasse balancierend.
    »Die Matrosen desertieren ihretwegen!« rief der Kapitän.
    »Ich gebe zu, mit Frauen kenne ich mich nicht so aus. Dafür habe ich keine Zeit. Ich muß mich um meine Geschäfte kümmern und um unsere Schwester, hast du das vergessen?«
    »Nicht einen Augenblick, du erinnerst mich ja ständig dran. Sehen Sie, Mr. Todd, ich bin das schwarze Schaf der Familie, ein Windhund. Wenn der gute Jeremy nicht wäre …«
    »Das Mädchen scheint Spanierin zu sein«, unterbrach ihn Jacob Todd, der ihr mit den Blicken gefolgt war, während sie jetzt einen anderen Tisch bediente. »Ich habe zwei Monate in Madrid gelebt und viele Frauen wie sie gesehen.«
    »Hier sind alle Mestizen, die oberen Klassen eingeschlossen. Sie geben es natürlich nicht zu. Das Indioblut wird verheimlicht wie eine Seuche. Ich kann sie deswegen nicht tadeln, die Indios haben den Ruf, schmutzig, trunksüchtig und faul zu sein. Die Regierung versucht, die Rasse zu verbessern, indem sie europäische Einwanderer hereinholt. Im Süden schenken sie den Siedlern Land.«
    »Das ist ihr Lieblingssport: Indios umbringen, damit sie ihr Land einstreichen können.«
    »Du übertreibst, John.«
    »Man muß sie nicht unbedingt immer mit einer Kugel beseitigen, es genügt auch, sie zu Trinkern zu machen.
    Aber umbringen ist viel vergnüglicher, versteht sich. Immerhin nehmen wir Briten nicht teil an diesem Zeitvertreib, Mr. Todd. Uns interessiert das Land nicht. Wozu Kartoffeln anpflanzen, wenn wir unser Glück machen können, ohne die Handschuhe auszuziehen?«
    »Hier fehlt es nicht an Möglichkeiten für einen unternehmungslustigen Mann. In diesem Land liegt alles bereit, man braucht es sich nur nehmen. Wenn Sie reüssieren wollen, gehen Sie in den Norden. Dort gibt es Silber, Kupfer, Salpeter, Guano…«
    »Guano?«
    »Vogelscheiße«, erklärte der Seemann.
    »Von alldem verstehe ich nichts, Mr. Sommers.«
    »Ein Vermögen zu machen interessiert Mr. Todd nicht. Jeremy. Seine Sache ist der christliche Glaube, nicht wahr?«
    »Die protestantische Kolonie ist zahlreich und wohlhabend, sie wird Ihnen helfen. Kommen Sie morgen in mein Haus. Mittwochs gibt meine Schwester Rose immer eine musikalische Gesellschaft, das ist eine gute Gelegenheit, Bekanntschaften zu schließen. Meine Kutsche wird Sie um fünf Uhr nachmittags abholen. Sie werden sich angenehm unterhalten«, sagte Jeremy und verabschiedete sich.
    Am folgenden Tag, erfrischt von einer traumlosen Nacht und einem langen Bad, um all das Salz loszuwerden, das ihm noch in der verborgensten Falte klebte, aber immer noch mit dem schwankenden Gang, den er sich auf dem Schiff angewöhnt hatte, ging Jacob Todd aus, um durch den Hafen zu spazieren. Er schritt ohne Eile durch die Hauptstraße, die parallel zum Meer verlief und dem Ufer so nah, daß die Wellen sie besprühten, trank ein paar Glas in einem Café und aß in einem Gasthaus am Markt. Er hatte England an einem frostigen Februartag verlassen, und nachdem er eine endlose Wüste aus Wasser und Sternen überquert hatte, auf der er sich sogar beim Nachzählen seiner verflossenen Liebschaften verhedderte, war er auf der südlichen Halbkugel in den Beginn eines weiteren, erbarmungslosen Winters geraten. Er war vor seiner Abreise überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, sich nach dem Klima zu erkundigen. Chile hatte er sich heiß und feucht wie Indien vorgestellt, denn so, glaubte er, seien nun einmal die Länder der Armen, und nun sah er sich einem eisigen Wind
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