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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman
Autoren: Cory Doctorow
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hatte immer seinem Vater gehört und nicht ihm.
    Zwei Polizisten mit grimmigen Gesichtern eilten vorbei. Aus ihren Kopfhörern drang ein penetrantes Summen.
    »Wenn wir nur in den Hafen kämen«, sagte er. »Dann könnte ich uns, glaube ich, überall hinbringen.«
    Sie lächelte. Es war das erste Mal, dass sie wieder richtig lächelte, seit … dem Beginn der Schießerei.
    »Erst muss ich aber meine Mutter anrufen.«
    Die Polizisten, die Matthew verhörten, waren so angespannt, dass sie förmlich vibrierten, doch die ältere Touristin tat so, als wäre sie von der Kontrolle tödlich beleidigt, und verlangte in lautstarkem Englisch, ihre Gruppe ziehen zu lassen. Matthew übersetzte jedes Wort und redete einfach dazwischen, als die Polizisten wissen wollten, was er hier treibe und wieso seine Klamotten von Farbe und Schlamm verdreckt seien.
    Die Touristin zückte ihre Kamera und richtete sie auf die Polizisten, und das beendete die freundliche Unterhaltung. Ehe sie auch nur aufs Display schauen konnte, hatten sich die behandschuhten Finger eines Polizisten über die Linse gelegt. Die zwei Jungen drängten sich vor, während der Ehemann auf Englisch herumbrüllte. Es sah so aus, als würde gleich irgendjemand die Nerven verlieren und eine Rempelei beginnen. Doch der Lärm hatte die Aufmerksamkeit eines vorgesetzten Beamten erregt. Nachdem er seinen Untergebenen einen ordentlichen Rüffel für all die Zeitverschwendung erteilt hatte, winkte er die Touristen und Matthew mit strenger Miene durch.
    Matthew konnte kaum glauben, dass er frei war. Die Touristen hingegen schienen alles für ein amüsantes Spiel zu halten. Bis sie außer Sicht- und Hörweite des Aufruhrs waren, trieb er sie weiter an, den Seitenstreifen des Shenhui-Highways entlang. Riesige Laster schossen so dicht an ihnen vorbei, dass es ihnen fast den Atem raubte.
    »Taxi?«, fragte die Frau.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich nicht glauben Taxi heute. Privat Auto vielleicht.«
    Sie schien ihn zu verstehen. Er begann jedem Wagen, der vorbeifuhr, Zeichen zu geben, und schließlich hielt einer an: ein alter Chang’an, der schon bessere Tage gesehen hatte. Der Kofferraum, der nur von Spanngurten zugehalten wurde, gab ein beängstigendes Klappern von sich. Am Steuer saß ein Mann in schmutziger Chauffeur-Uniform. Matthew beugte sich zu ihm: »Hundert Yuan, wenn Sie uns in die Jiabin Road bringen.« Das war zwar viel, aber Matthew war sich sicher, dass die Touristen es sich leisten konnten.
    »Nein, zu weit«, erwiderte der Mann. »Ich hab noch mehr zu tun … «
    »Zweihundert«, sagte Matthew.
    Der Mann grinste und entblößte mehrere Stahlzähne. »Okay, alles einsteigen.«
    Sie waren kaum fünf Minuten unterwegs, als sein Handy ihn mit einem Piepsen wissen ließ, dass eine Nachricht auf der Mailbox eingegangen war. Sie kam von Justbob, im Auftrag von Schwester Nor.
    »Mom?«
    »Leonard?«
    »Hi, Mom.« Er versuchte, nicht auf Jie zu achten, die ihn mit einer Mischung aus Belustigung und Hochachtung musterte. Jie verfügte über ein geradezu enzyklopädisches Wissen, was Internetcafés und deren private Hinterzimmer betraf, und so befanden sie sich mittlerweile wieder an einem Ort, der, eigentlich für Karaokeveranstaltungen gedacht, Netzzugang hatte. Das kleine Zimmer lag im Erdgeschoss einer Jugendherberge, in der ausländische Gäste übernachten konnten.
    »Ich hab deine Stimme ja ewig lange nicht mehr gehört, Leonard.«
    »Ich weiß, Mom.«
    »Wie läuft die Reise?«
    »Soweit ganz gut.« Er versuchte sich zu erinnern, welchen Ort er ihr zuletzt genannt hatte. Portland? San Francisco?
    »Ach, Leonard«, seufzte sie, und gleich darauf konnte er sie weinen hören. Acht Uhr abends daheim in L.A., und sie war allein und weinte. Mit einem Mal hatte er solches Heimweh, dass es ihn fast zerriss. Tränen liefen ihm über die Wange.
    »Ich hab dich lieb, Mom«, schluchzte er.
    Eine Zeit lang brachten sie vor Schluchzern beide kein Wort heraus. Als er irgendwann einen Blick auf Jie riskierte, sah er, dass auch sie weinte.
    »Mom«, sagte er schließlich und schnaubte, »ich muss dich um einen Gefallen bitten, einen ziemlich großen Gefallen.«
    »Du steckst in Schwierigkeiten, stimmt’s?«
    »Ja.« Es hatte keinen Sinn, es abzustreiten. »Ich stecke in Schwierigkeiten, kann dir die Situation im Augenblick aber nicht ausführlich erklären.«
    »Du bist in China, oder nicht?«
    Ihm fehlten die Worte. »Du hast es also gewusst!«
    »Ich habe es vermutet. Es geht um
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