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Fool on the Hill

Fool on the Hill

Titel: Fool on the Hill
Autoren: Matt Ruff
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Passanten gegeben - keinerlei Trost, und nicht hätte sich eigentlich in seinem Innern regen dürfen. Nattie Hollister und Sam Doubleday waren auf Streife unterwegs, und der Rest der Schicht war dem Zauber erlegen: Die Beamten schnarchten an ihren Schreibtischen, lagen zusammengesackt in den Korridoren, dösten über Berichten. Nichts hätte sich regen dürfen - ausgenommen Stirnen, die sich vor Alpträumen in Falten legten. Dennoch flog die Eingangstür des Polizeireviers auf, und eine Gestalt trat hinaus in den Nebel. Kein Polizist, doch angetan mit einer Uniform: Eine viel zu große Polizeijacke hing ihr schlaff von den Schultern herab, und auf dem Kopf saß in forschem Winkel eine vorschriftsmäßige Mütze.
    Die Augen glühten blau; darunter zog sich ein Plastikgrinsen in die Breite.
     
    V
     
    George trat hinaus auf die Veranda, die Lanze in der einen Hand, den Drachen in der anderen. Der Nebel umgab das Haus wie ein Vorhang - dicht, aber nicht undurchdringlich: George konnte undeutliche Schatten ausmachen. Wetterleuchten jagte durch den milchigen Dunst, als flammte irgendwo in einiger Entfernung eine riesige Blitzbirne auf; der Donner war klar und deutlich zu hören.
    George ging noch zwei Schritte weiter, und der Wind riß ein Loch in den Vorhang. Vor ihm öffnete sich eine Gasse, die bis zum Straßenrand reichte, und einer der Schattenumrisse verdichtete sich zu Ragnaröks Gestalt, der in voller schwarzer Montur rittlings auf seinem Motorrad saß.
    »Tag, George«, sagte der Schwarze Ritter. »Oder wie immer man das nennen soll.« Er warf einen Blick auf die Lanze, nickte dann in Richtung auf Georges Drachenkopf-Drachen. »Hübsch.«
    »Ragnarök?«
    »Hübsch«, wiederholte Ragnarök. Irgendwie wirkte er verändert, und nach kurzem Überlegen erkannte George, daß es an der fehlenden Sonnenbrille lag. Letzte Nacht im Krankenhaus war er wegen Aurora zu besorgt gewesen, um darauf zu achten, aber Ragnaröks Augen wirkten ernsthaft und überraschend menschlich nach der langen Zeit der Verborgenheit. »Also, George, kann ich dich irgendwohin mitnehmen?«
    »Auf die Gefahr hin, daß es eine blöde Frage ist«, entgegnete George, »aber was tust du eigentlich hier, Ragnarök?«
    »Was ich tue?« Die Frage schien den Bohemier zu verblüffen. »Was ich... also...« Er rieb sich ein Auge mit einer behandschuhten Faust. »Eine Angelegenheit zu Ende bringen, schätze ich. Um ehrlich zu sein, versuch ich immer noch rauszukriegen, wer mein Motorrad wieder zusammengeflickt hat.«
    Er sah so verloren aus, daß George ihm keine weiteren Fragen stellte. Er setzte sich - vorsichtig wegen der Lanze - hinter ihm auf die Maschine und sagte: »Okay, los geht's.« Ragnarök drehte auf, und sie fuhren ab: den Hügel hinauf, hinauf zum Quad.
    Ausnahmsweise übertrat Ragnarök diesmal keine Geschwindigkeitsbegrenzung.
     
    VI
     
    Da oben, sagte sich Luther. Direkt da oben.
    Er war fast zu Hause, fast wieder im Himmel. Abgesehen davon, daß er allein ankam, war es genau wie das erstemal: alles war in Nebel gehüllt, die Stadt um ihn lautlos. Luther sehnte sich danach, hinaufzugehen, durch das überwölbte Tor zu treten und wieder auf dem Gipfel des Hügels zu stehen, doch er schätzte seine Chancen, es auch nur bis zu seinem Fuß zu schaffen, nicht sehr hoch ein; denn dieses war nicht das erstemal, und jetzt lauerte der Tod im Hinterhalt auf ihn. Der Mischling trottete die State Street entlang, keine anderthalb Häuserblocks vom Anfang des Commons entfernt, als seine Nase die Witterung seines Widersachers auffing.
    Direkt da vorn, er wartet, es ist nur eine Frage von Sekunden, bis du vor ihm stehst. Und dann - selbst wenn du ein Hund wärst, der kämpft, müßtest du sterben. Deine einzige Chance ist, wegzulaufen, sofort wegzulaufen, zu hoffen, daß du schneller bist und er deine Fährte verliert...
    Luther ließ seine Gedanken schweifen, aber seine Beine trugen ihn unbeirrt voran. Denn schließlich war er ein guter Hund, und es fehlte ihm nicht an Mut; er würde nicht so kurz vor dem Ende kneifen.
    Noch ein paar Schritte, nur noch ein paar Schritte, und der Nebel wird sich lichten, und du wirst -
    »Krätze...«
    Der Nebel lichtete sich nur so weit, daß er die jetzt unbeleuchtete Digitaluhr am Westende des Commons sehen konnte und das Tier, das darunter kauerte. Im Verlauf seiner langen Wanderung war Luther dürr wie ein Gerippe geworden, und er hatte damit gerechnet, Drakon in einer ähnlichen Verfassung vorzufinden, dennoch
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