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FOOD CRASH

FOOD CRASH

Titel: FOOD CRASH
Autoren: Felix zu Löwenstein
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einer funktionierenden Staatsmacht ausbeuten wollen, verhindern, dass Bauern existieren können. Denn das können sie nicht, wenn sie bereits zum Zeitpunkt der Aussaat wissen, dass sie noch vor der Ernte von einer der Parteien aus ihrem Dorf vertrieben werden.
    Das Ergebnis dieser Mischung aus schlechter Regierungsführung (»bad governance«), auswärtiger Einmischung und inneren Konflikten ist:
Hunger.
Nach der Statistik der FAO hält der zentralafrikanische Kongo den Rekord, knapp hinter Eritrea: 70 % der Bevölkerung fallen unter die Kategorie »Unterernährt«! [9] Obwohl das im Nordosten des Kontinentes gelegene Eritrea ungleich schlechtere landwirtschaftliche Produktionsbedingungen aufweist, ist auch die Unterernährung der eritreischen Bevölkerung eher die Folge einer schlechten Verwaltung und die Nachwirkung des Sezessionskrieges mit Äthiopien. Über der 50 %-Marke liegt ansonsten nur Burundi – das eine sehr hohe Bevölkerungsdichte aufweist und in denselben Konflikt involviert ist wie der Kongo – und Haiti, auf das ich noch an mehreren Stellen zu sprechen kommen werde.

    Gewalt macht hungrig: Kriege und Konflikte. Quelle: UN World Food Programme (WFP)

Wer nichts hat, dem wird genommen
    Dass zwei Drittel der Hungernden auf dem Land wohnen, also ausgerechnet dort, wo die Nahrung produziert wird, hat einen einfachen Grund: Meist handelt es sich um Menschen, denen weder eigenes Land noch ausreichendes Einkommen zur Verfügung steht. In Brasilien fehlt es einem Fünftel der Bevölkerung an Essen, obwohl auf Millionen von Hektaren Exportgüter oder Zucker für die Ethanolgewinnung angebaut werden. Auf sehr viel weniger krasse Weise gilt das auch für Indien, wo ein Drittel der von der FAO als unterernährt eingestuften Menschen zu Hause ist. Indien exportiert jährlich ca. fünf Millionen Tonnen Reis. Wer keine Kaufkraft hat, weil es an Erwerbsmöglichkeiten fehlt, der ist auch nicht in der Lage, sich Essen zu kaufen.
    Das gilt im Übrigen auch für Länder in Nordamerika oder Europa, wo am unteren Rand einer Gesellschaft mit hohen Durchschnittseinkommen bittere Armut existiert. Auch hier ist nicht die mangelnde Produktivität der Landwirtschaft, sondern die ungleiche Verteilung von Einkommen Ursache für Hunger.
    Dass aufstrebende und reiche Länder in den letzten Jahren massiv auf globale Einkaufstour gehen, um sich Ackerflächen für die steigenden Bedürfnisse ihrer Bevölkerung zu sichern, verschärft dieses Problem. Denn ab dann dient die Fläche nicht mehr der Ernährung der Bevölkerung vor Ort, sondern dem Export in die Staaten der Investoren. Und in aller Regel folgt auf die Landnahme die Vertreibung der Kleinbauern, die bis dahin dort gewirtschaftet haben. Auf diese Weise kehrt der Kolonialismus zurück, mit einem neuen Gesicht.
    China und die Golfstaaten stehen an der Spitze derer, die Millionen von Hektaren dort unter ihre Kontrolle zu bringen versuchen, wo Bodenfruchtbarkeit und Verfügbarkeit von Wasser gute Erträge versprechen. [10] Aber auch unter Kapitalinvestoren hat sich längst herumgesprochen, dass land- und forstwirtschaftliche Flächen eine inflationssichere Anlage mit großen Zukunftschancen bieten. Nur in den wenigsten Fällen dürfte sich die Hoffnung erfüllen, dass auf diese Weise unterkapitalisierte Bauern in Afrika und Asien die nötigen Ressourcen für ihre Entwicklung zugesteckt bekommen. In den meisten Regionen, auf die sich die Begehrlichkeit der Investoren richtet, besitzen die Bauern keine oder doch nur sehr schlecht abgesicherte Rechtstitel auf ihren Landbesitz. Sie müssen deshalb der Willkür der Mächtigen weichen, die an dem Deal verdienen. Wenn dann die industrialisierte Großlandwirtschaft in Gang gesetzt wird, die sich für ein unkompliziertes Ausbeuten der neu erworbenen Flächen am besten eignet, bleibt den vertriebenen Bauern noch nicht einmal der Abstieg zum Tagelöhner. Wo Wasser knapp ist, sind auch die betroffen, denen man ihr Land gelassen hat. Denn dem gut technisierten Neubesitzer gelingt es im Zweifel als Erstem, den alteingesessenen Nachbarn das kostbare Nass abzugraben.
    Der globale Feudalismus, der so entsteht, schafft nicht nur Ungerechtigkeit und Armut – und in der Folge Hunger –, er destabilisiert auch ganze Staaten und trägt so zu einem sich selbst verstärkenden Teufelskreis bei, dessen Leidtragende immer dieselben sind: die Ärmsten der Armen.
    Der Vollständigkeit halber ist anzufügen, dass Naturkatastrophen – Erdbeben,
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