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Flut

Flut

Titel: Flut
Autoren: Daniel Galera
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nicht, wovon du redest.
    Er steht auf, geht zum Schrank im Schlafzimmer und kramt in einer Kiste, bis er ein zusammengefaltetes Blatt Papier findet. Er zögert. Am liebsten würde er den Zettel in kleine Stücke reißen, ihn wegwerfen und die Sache vergessen. Aber das würde nichts ändern. Man kann so etwas nicht einfach auslöschen und so tun, als würde es nicht existieren.
    Er kehrt zurück ins Wohnzimmer und gibt Viviane das Papier. Sie liest die Zeilen und hebt dann den Kopf, in ihrem Gesicht zeichnen sich Verwirrung und Enttäuschung ab.
    Ist das ein Scherz? Ich wusste gar nicht, was du da draufgeschrieben hast.
    Aber du erinnerst dich, dass du das Datum und deine Unterschrift draufgesetzt hast, oder?
    Ja, jetzt erinnere ich mich, aber was ist denn das für eine Scheiße? Wenn du damals schon wusstest, dass wir uns trennen würden, und sogar, dass ich eines Tages zu dir kommenwürde, um dir zu erzählen, dass ich schwanger bin, warum hast du dann damals nichts gesagt? Warum hast du nichts unternommen?
    Ich hab alles getan, was ich konnte. Vielleicht kommt es dir wie nichts vor, aber ich hab getan, was ich konnte. Es war nicht viel. Ich konnte nicht viel tun. Ich wusste, es würde nichts nützen.
    Sie tritt auf ihn zu, gibt ihm den Zettel zurück und setzt sich aufs Sofa.
    Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Warum hast du das getan? Mal ehrlich, wozu sollte das gut sein? Nur, damit du jetzt behaupten kannst, ich hab es ja gesagt oder ich wusste es schon vorher oder so was? Stehst du damit irgendwie über mir? Über deinem Bruder? Du weißt also zu jeder Zeit, was im Leben aller anderen passieren wird? Für wen hältst du dich eigentlich?
    Nein. Darum geht es nicht. Ich glaube, ich habe das damals hauptsächlich deswegen aufgeschrieben, um mir selbst zu versichern, dass ich nicht verrückt geworden war. Damit ich, wenn es so weit war, sicher sein konnte, dass ich tatsächlich gewusst hatte, was auf mich zukam. Und dass ich nichts daran hätte ändern können. Und du auch nicht.
    Und Dante auch nicht.
    Nein.
    Aber warum hast du mich dann gehen lassen? Warum hast du mich nicht zurückgehalten. Warum bist du nicht mitgekommen?
    Du kennst die Geschichte genauso gut wie ich, Viv.
    Ich weiß gar nichts. Du weißt doch alles. Hilf mir ein bisschen auf die Sprünge, denn ich kann dich gerade nicht verstehen. Ich weiß nicht, wie du die Dinge siehst. Ich weiß nicht, was du hier gerade abziehst.
    Dante beschließt, nach São Paulo zu gehen, und einen Monat später bekommst du dort ein Jobangebot. Darauf hattest du schon lange gewartet, du hast immer davon geträumt,endlich der Provinz zu entkommen, die wie ein Haus mit zu niedrigen Decken war, in dem man gebückt gehen musste, wie du meintest. Und du hast recht. Für jemanden wie dich ist Porto Alegre zu klein. Ich konnte damals nicht mit dir gehen, weil ich mich auf den Ironman auf Hawaii vorbereitet habe. Und das war der Traum meines Lebens. Da konnte ich nicht einfach mal so eben nach São Paulo ziehen. Dante findet dann irgendwo diese riesige Wohnung und lädt uns ein, erst mal mit bei ihm zu wohnen, und du fragst mich, ob es mir etwas ausmacht, wenn du schon vorgehst. Ob es mir etwas ausmacht . Was dasselbe war, als hättest du mich um Erlaubnis gebeten. Ich glaube, da wurde mir alles klar. Ich konnte alles genau vor mir sehen. Jeder Schritt, der sich abzeichnete, abgesehen von dem, was man sich einbildet und was man vielleicht gern hätte, also wirklich nur die Realität, jeder dieser Schritte hatte den nächsten zur Folge. Das war kein kompliziertes Puzzle. Immerhin wusste ich, dass Dante auf dich stand.
    Hat er dir das jemals gesagt?
    Nein, aber er ist mein Bruder. Und ich hab auch gemerkt, wie sehr du ihn bewundert hast. Vor allem, nachdem sein Buch erschienen war. Das zweite oder dritte, ich weiß es nicht. Jedenfalls das, das so erfolgreich war. Ich hab diese Scheiße gelesen. Und ich hab sie alle darin wiedererkannt. Freunde von mir kamen darin vor. Das Einzige, was er nicht verwurstet hat, war ich. So viel Taktgefühl hatte er dann noch. Der ganze Rest steht im Buch. Und das nennt er Fiktion.
    Also, rein technisch …
    Aber das hat damit nichts zu tun. Ich weiß, dass du mich geliebt hast, Viv, aber ich weiß auch, dass du mich manchmal für einen Ignoranten, für einen dieser dummen Sportler gehalten hast. Der ich ja auch bin. Ein netter Kerl, ein guter Mensch, aber eben etwas begrenzt. Großer Schwanz und kleiner Kopf. Als wir uns kennenlernten,
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