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Flut

Flut

Titel: Flut
Autoren: Daniel Galera
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noch nie in seinem Leben gesehen zu haben, aber plötzlich weiß er, wer sie ist. Erst vor ein paar Tagen hat er an sie gedacht, und eigentlich wusste er die ganze Zeit, dass sie irgendwann kommen würde. Im selben Moment, als er sie erkennt, erschrickt sie, und ihr Lächeln weicht einem mitleidigen Blick.
    Ach du Scheiße. Was ist denn mit dir passiert?
    Ich hab bei einer Schlägerei ein paar Kopfnüsse abbekommen, sagt er lächelnd.
    Du hast dich doch sonst nie geprügelt.
    Ein paar Typen haben mir meinen Hund geklaut. Beta. Ich hab sie mir wiedergeholt, und das fanden sie wohl nicht so gut.
    Sie dreht kurz den Kopf weg und schließt die Augen, als könne sie es nicht fassen. Dann sehen sie sich eine Weile an. Sein Herz schlägt schneller, und er sieht, wie sich Vivianes Brust hebt und senkt. Die Gehirne müssen versorgt werden, sie laufen auf Hochtouren und stehen fast still, vor lauter Dingen, die es zu sagen gibt.
    Hast du mein Gesicht wiedererkannt, als du die Tür aufgemacht hast?
    Nein. Aber ich hab dich wiedererkannt.
    Wie denn?
    Du weißt wie.
    Sie wirft kurz den Kopf zur Seite und pustet sich eine Strähne aus dem Gesicht. In den Händen hält sie etwas, das wie ein Bilderrahmen aussieht, mit grauem Papier eingeschlagen.
    Auch nach all dieser Zeit?
    Scheint so.
    Dafür erkenne ich dich kaum wieder. Du bist so dünn.
    Ich weiß. Das hat mehrere Gründe. Unter anderem eine Lungenentzündung.
    Lungenentzündung? Du warst doch nie krank. Höchstens mal erkältet.
    Ich hatte Wasser in der Lunge.
    Wie das denn?
    Ich bin von der Felsküste gestürzt und dann die ganze Nacht geschwommen, um wieder an Land zu kommen.
    Das ist nicht dein Ernst.
    Du siehst schön aus. Du machst einen richtig glücklichen Eindruck. Ich seh mir manchmal Fotos von dir an.
    Komm, lass mich rein.
    Sie trägt eine bordeauxrote Strickjacke im Military-Look mit diversen großen Taschen und einem gleichfarbigen Gürtel, der ihre Taille betont. Schwarze Hose und schwarze Schnallenstiefel mit Nietenverzierungen. Alles wirkt elegant und teuer, ganz anders als die Sommerkleidchen und Kaufhaustrainingsjacken, in denen er sie in Erinnerung hat. Sie geht ein paar Schritte durchs Wohnzimmer und sieht sich um. Ihre große, von der Morgensonne beschienene Gestalt scheint einer Modestrecke entstiegen und kontrastiert mit dem Second-Hand-Mobiliar in der Wohnung.
    Deine Mutter hat mir erzählt, dass du direkt am Strand wohnst, aber so hab ich mir das nicht vorgestellt. Hier bist du ja praktisch im Wasser. Der Blick ist ja unglaublich. Eigentlich kannst du direkt von hier losschwimmen, oder?
    Das mach ich auch fast täglich. Setz dich, ich koch uns einen Kaffee.
    Sie stellt den Bilderrahmen an das kleinere Sofa und setzt sich. Er geht in die Küche und gießt Wasser in den Kessel.
    Wann bist du angekommen?
    Gestern Abend. Ich hab mir von Florianópolis aus einen Mietwagen genommen und mir dann an der Promenade ein Zimmer gesucht. Wie billig das außerhalb der Saison ist! Das Zimmer ist niedlich. Ich glaub, ich bin der einzige Gast dort.
    Du bist doch allein hier, oder?
    Ja.
    Er braucht vier Streichhölzer, bis die Gasflamme brennt.
    Ich wollte dich erst noch anrufen, aber deine Mutter meinte, dein Telefon sei seit Tagen ausgeschaltet oder dass du keinen Empfang hättest. Und bei Facebook bist du ja auch nicht mehr. Obwohl du ja sowieso nie auf meine Nachrichten geantwortet hast. Hast du sie überhaupt gelesen? SMS hab ich dir auch geschickt, aber die hast du auch nicht beantwortet. Ich bin dann einfach trotzdem gekommen, die Tage hatte ich mir im Verlag schon frei genommen, und so schnell werde ich nicht wieder die Möglichkeit haben. Ich hoffe, das ist kein Problem. Ich will dich wirklich nicht stören.
    Kein Problem. Ich war in letzter Zeit tatsächlich eher auf Sendepause.
    Du hast mir nie geantwortet. Also bin ich davon ausgegangen, dass du nichts mit mir zu tun haben willst. Aber ich bin trotzdem gekommen. Schließlich weiß ich, wie du tickst. Wenn man bei dir auf eine Antwort wartet …
    Ich freu mich, dich zu sehen. Ich glaube …
    Er denkt nach, während er den Filter mit Kaffee füllt.
    … bis zu einem gewissen Zeitpunkt habe ich deine Nachrichten gelesen, aber, ich weiß auch nicht, Viv. Ich hatte keine Lust auf Facebookgeplänkel. Das heißt nicht, dass ich nicht mit dir reden will.
    Nee, okay, kann ich verstehen.
    Es war schön, die Tür aufzumachen und dich zu sehen. Wirklich. So finde ich es gut.
    Ich hab mir etwas Sorgen gemacht. Alle
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