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Flurfunk (German Edition)

Flurfunk (German Edition)

Titel: Flurfunk (German Edition)
Autoren: Anke Greifeneder
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unterschiedlichsten Meinungen und Meisterwerke an sprachlichen und grammatikalischen Stilblüten lesen. Von Hasstiraden – »Ihr seid Scheiße« – über intellektuelle Kritik – »Verfall des deutschen Fernsehens und Verrohung der Sitten und des journalistischen Handwerks« – bis hin zu Autogrammwünschen und Nachfragen, ob Imka noch zu haben sei, war alles dabei.
    Ich wertete die E-Mails aus und brachte die Ergebnisse Felix, der mit meiner Arbeit zufrieden zu sein schien.
    »Analysieren hast du sicher im Studium gelernt, was?«, scherzte er.
    Sehr witzig!
    »Ach, kannst du als Nächstes bitte über Anisha Tayler recherchieren, sie wird nächste Woche zu Gast sein. Ich brauche ihre lückenlose autorisierte Biografie, Interviews, die sie bereits gegeben hat, alle Filme, und ich möchte vor allem wissen, was Schauspielkollegen über sie gesagt haben. Wenn du Hilfe benötigst, frag Tim von entertainment tonight , der hat schon mal ein Interview mit ihr vorbereitet.«
    Ich nickte und begann Internetarchive und ihre offiziellen Homepages zu durchforsten. Ich war mitten in der Arbeit, als Mimi vorbeischaute.
    »Lotte, hast du Lust, etwas zum Essen zu bestellen? Den Kantinenfraß kann ich heute echt nicht sehen, und Tim kennt ’nen super Thailänder, der ausliefert.«
    »Hört sich gut an. Ich hab langsam auch Hunger.«
    Mimi stupste mich in die Seite und flüsterte: »Pass auf, was jetzt passiert!«
    Verdutzt sah ich auf, konnte aber nichts Außergewöhnliches feststellen, außer dass Programmchef Ralph das Großraumbüro betreten hatte. »Was denn?«
    »Sieh genau hin«, sagte Mimi grinsend.
    Und tatsächlich, jetzt wusste ich, was Mimi meinte. Anne aus der Produktion, die gerade noch krumm über ihrer Tastatur gehangen hatte, nahm schnellstens Haltung ein, Tine, ebenfalls Praktikantin, warf lasziv ihre Haare zurück, und Barbara, die gerade am Kopierer stand, lächelte Ralph kokett an.
    »Das ist die Riege derer, die darauf warten, entdeckt zu werden, und die eigentlich vor die Kamera wollen«, klärte Mimi mich auf.
    »Du musst mal zuhören, wenn Imkas oder Kirstens Sendung läuft. Die Kommentare! ›Wie sieht die denn wieder aus! Und die Klamotten!‹ Natürlich hätten alle ein besseres Styling und wären so was von geistreich und gescheit im Gegensatz zu unseren Moderatorinnen. Was meinst du, wie viele nebenher zu Castings gehen und hier nur arbeiten, damit endlich jemand ihr Talent bemerkt.«
    »Und? Hat es schon mal eine geschafft?«, wollte ich wissen.
    »Das kommt nur alle Jubeljahre vor. Ist wie bei den Stars, die zufällig in der Disco oder singend in der Einkaufszone entdeckt werden. Die sind eher selten. Besonders beliebt bei den Möchtegerns sind Partys im Sender! Da schmeißen sich besagte Kandidatinnen gerne an Ralph ran, um zu beeindrucken.«
    »Und wie reagiert Ralph darauf?«
    »Ziemlich unbeeindruckt. Er bleibt zwar immer freundlich, und ein bisschen gefällt es ihm vermutlich auch, so umschwärmt zu sein, aber genutzt hat es noch keiner. Wäre ja auch ziemlich unprofessionell.«
    Auch meine Recherchen über Anisha Tayler gefielen Felix gut, und allmählich fühlte ich mich sicherer. Wie pflegte meine Schwester zu sagen: »Die kochen auch alle nur mit Wasser.« Just in diesem Moment klingelte mein Handy.
    »Bonjour, ma petite.« Es war Caroline.
    Das nannte man wohl Gedankenübertragung.
    »Wie geht es denn unseren werten Eltern?«, wollte Caroline wissen.
    »Es geht ihnen leider viel zu gut. Papa ist wie immer streng, zu anderen wie zu sich selbst, und Mama und Marlene sind mal wieder gelangweilt und probieren heute den letzten Schrei aus. Sie gehen floaten .«
    »Was um alles in der Welt ist floaten ?« Caroline schien ernsthaft um den Geisteszustand unserer Mutter besorgt zu sein.
    »Na, da legt man sich in ’nen Tank mit Salzwasser. Das Wasser hat einen solch hohen Salzgehalt, dass man darin nicht untergehen kann. Man legt sich nackt hinein, dann wird es dunkel, und danach fühlt man sich angeblich wie neugeboren, weil es einen so entspannt und neue Horizonte eröffnet«, klärte ich Caroline auf.
    »Also, für mich klingt das eher nach Panikattacken und klaustrophobischen Anfällen, oder würdest du dich gerne in einen geschlossenen dunklen Tank legen – nackt wohlgemerkt, damit, falls du panisch wirst und Hilfe brauchst, unbekleidet gerettet wirst? Na ja, dass Mama damit kein Problem hat, war ja klar. Ich will nicht wissen, was das wieder kostet.«
    Wir mussten beide lachen.
    »Wann
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