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Flurfunk (German Edition)

Flurfunk (German Edition)

Titel: Flurfunk (German Edition)
Autoren: Anke Greifeneder
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Accessoire waren, abgesehen von Louis-Vuitton-Taschen, Hunde. Diese Saison musste man einen Hund bei sich haben. Die armen Viecher sahen zwar alles andere als glücklich aus, passten aber eben farblich perfekt zum Outfit und waren Garant, vom lokalen Szenefotografen abgelichtet zu werden, um dann in irgendeinem Stadtmagazin unter der Überschrift »Rassiges Frauchen im Viper beim Gassigehen« abgedruckt zu werden.
    Hier und da sah man den Sohn oder die Tochter eines Prominenten im Gedränge, umringt von Freunden, die sich alle einander ähnlich sahen und sich wahrscheinlich noch aus alten Internatszeiten kannten. Von Tim wusste ich, dass viele der Promikinder zum achtzehnten Geburtstag eine goldene Mitgliedskarte des Clubs bekamen, die mit reichlich Privilegien verbunden war, unter anderem gab es damit Getränke frei.
    Während wir die reservierten Tische ansteuerten, schrie ich Mimi ins Ohr: »Seid ihr öfter hier?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nee, die vom Marketing gehen ab und zu hierhin. Die Redaktionen gehen selten in diese gestylten Läden. Aber witzig kann es hier schon sein. Zumindest bekommt man immer was geboten.«
    In diesem Augenblick begann ein kaum achtzehnjähriges, vollkommen enthemmtes Mädel mit ihrer ebenfalls wahrscheinlich minderjährigen Freundin einen lasziven Tanz aufs Parkett zu legen, der unter dem tosenden Beifall der anwesenden Männer – gehobenes, jung gebliebenes Management – in einem Zungenkuss gipfelte.
    Nach der Performance kicherten die beiden vollkommen unsicher und rannten backfischgleich von der bestrahlten Tanzfläche ins sichere Dunkel der Bar, um sich dort für einen zweiten Auftritt Mut anzutrinken. Das hatte ich also bisher verpasst. Ich beschloss, es Mimi gleichzutun und alles von einer amüsierten Warte aus zu betrachten.
    Endlich waren wir an unseren Tischen angekommen und unter halbwegs angenehmen Menschen. Mir schien, als ob sich das illustre Publikum vor allem deshalb hier aufhielt, weil jeder Einzelne von ihnen darauf hoffte, entdeckt zu werden oder eine gute Partie zu finden. Einige wussten, für welchen Sender wir arbeiteten, und waren geradezu erpicht darauf, Kontakte zu knüpfen.
    Ob die Mädels hier tatsächlich Kärtchen mit den Worten »Ruf an, ich bring dich ganz groß raus!« in die Hand gedrückt bekamen?
    Felix, der schon unzählige Biere intus hatte, legte mir kumpelhaft die Hand auf die Schulter.
    »Charlotte, Charlotte. War ein schwieriger Einstieg, was? Aber jetzt ist alles gut. Du hast Biss, Mädel, das merke ich. Und mit Imka läuft auch alles. Bin ich echt froh. Du wärst nicht die Erste, die wegen ihr hätte wieder gehen müssen.« Felix wirkte mit seinen Tattoos und Piercings auf den ersten Blick einfach nur cool, dabei war er tatsächlich ein durch und durch lieber Kerl.
    Ich war auch froh, nickte ihm zu und ging an die Bar, um mir einen völlig überteuerten Drink zu holen.
    Felix folgte mir und rief plötzlich: »Ach, nee …!«
    Er zeigte auf eine zierliche Blondine, die leicht bekleidet in einem Käfig tanzte. »Die hat mal bei uns als Praktikantin gearbeitet.«
    »Echt? Scheint aber nicht gut gelaufen zu sein, die Karriere …«, wunderte ich mich.
    »Nicht wirklich. Ihrem Vater gehört die ganze Stadt, und genau so hat sich das Fräulein auch benommen. Ließ sich jeden Mittag Sushi liefern und war sich zu schade für die Arbeit. Spät kommen und früh gehen waren ihre Stärken.«
    »Und da habt ihr sie gefeuert?«
    »Nee, die kam über Beziehungen. Ein einziges Mal ist Leben in das verwöhnte Balg gekommen. Da haben wir neue Moderatoren gecastet. Sie hat so lange unseren Chef beschwatzt, bis wir sie drangenommen haben.«
    »Und? Kein Talent?« Ich musste selbst über meine Frage grinsen.
    »Talent? Sie fand es total witzig, dass sie zweimal durchs Abi gerasselt ist, dachte wohl, das käme cool. Dann hat sie total stolz erzählt, dass sie, seitdem sie fünfzehn ist, in diesem Club hier im Käfig tanzt. Bei Razzien hat sie sich unterm Tisch des Clubchefs versteckt. Stell dir vor, die war sich nicht mal zu schade, uns beim Casting eine Kostprobe ihrer Tanzkünste zu zeigen.«
    »Kann einem irgendwie Leid tun«, sagte ich und meinte es tatsächlich so.
    »Hm. Wahrscheinlich nur ein trauriger Fall von Vernachlässigung. Die Eltern sind geschieden, und ihre Mutter lebt in Saint Tropez. Aber uns hat sie echt den letzten Nerv geraubt.«

    April, halb Engländerin und Volontärin bei entertainment tonight , gesellte sich zu uns und sprach mich
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