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Flurfunk (German Edition)

Flurfunk (German Edition)

Titel: Flurfunk (German Edition)
Autoren: Anke Greifeneder
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meine Mundwinkel zu einem Lächeln zu bewegen.
    »Das sind die Habermanns und ihr Sohn Jan. Meine Tochter Scharlott !«, sagte sie und klimperte viel sagend mit den Augenlidern. »Stell dir vor, Liebes, Jan hat auch an der Hegeluniversität studiert, allerdings Medizin. Warum unterhaltet ihr euch nicht ein bisschen?« Sie und Frau Habermann, ebenfalls kreditkartenblond gefärbt, zwinkerten sich verschwörerisch zu und ließen Jan, der nicht minder entzückt schien, und mich stehen. Einen Moment lang herrschte eine peinliche Stille.
    »Und du hast gerade deinen Magister in Germanistik und Kunstgeschichte abgeschlossen, erzählte deine Mutter …« Jan versuchte ein Gespräch in Gang zu bringen.
    Ich wollte nicht wissen, was meine Mutter sonst noch preisgegeben hatte.
    »Und du Medizin?«, antwortete ich eher rhetorisch. Aus den Augenwinkeln konnte ich meine Mutter und Frau Habermann tuscheln sehen.
    Wir tauschten gemeinsame Bekannte und den Speiseplan der Mensa aus, um nach angemessenen zwanzig Minuten endlich das erzwungene Trauerspiel zu beenden.
    Meine Mutter nahm mich zur Seite.
    »Na, wie findest du Jan?« Erwartungsvoll blickte sie mich an.
    »Nett«, zog ich mich aus der Affäre.
    »Ja, nicht?« Meine Mutter war kaum zu bremsen. Ein »nett« meinerseits reichte ihr, um nicht mehr um den Fortbestand unseres Genpools fürchten zu müssen.
    »Und die Habermanns sind ja so reizende Menschen, eine tolle Familie ist das, sage ich dir. Ihnen gehören die Lingenwerke, alteingesessene Familie, spenden immer äußerst großzügig. Vielleicht solltet ihr mal eine Partie Golf spielen?« Es war nicht der erste Kuppeleiversuch meiner Mutter und würde garantiert nicht der letzte bleiben. Meistens beschrieb sie mich als sehr wählerisch, was stimmte, aber zum Großteil mit ihrer Auswahl der spießigen Kandidaten zu tun hatte, denn die Söhne ihrer Tennis- und Bridgepartnerinnen sahen allesamt aus, als ob sie einer Loriotverfilmung entstiegen und nun bereit wären, das väterliche Tee-Imperium bis aufs Messer zu verteidigen. Am besten mit einer Tochter aus der gleichen Kaste. Hier kamen Caroline oder ich ins Spiel: Wie praktisch! Mit den Schwiegereltern in spe wäre man sozusagen schon per du und die Vermögenslage auch geklärt.
    Meine Eltern hatten zudem einiges an meinem Lebenswandel auszusetzen. Meine beste Freundin Lena befanden sie als zu gewöhnlich und merkwürdig, was wohl vor allem daran lag, dass Lena Geologie studierte und mit Konsumwahn und dem »weichen Chantré-Clan« meiner Eltern, wie sie gern sagte, nichts anzufangen wusste. Lena war nicht unbedingt der Prototyp einer Barbie, sah aber äußerst interessant und leicht ägyptisch aus, was ihr den Spitznamen Kleopatra eingebracht hatte. Lena hielt mehr von Wissen und anderen inneren Reichtümern denn von bebrillten Societyladys. Dass sie Lehrerskind war, sahen meine Eltern als ein weiteres Zeichen an, dass Lena kein Umgang für mich sei, denn das ganze linke »Lehrergesocks« habe doch damals die raf unterstützt und sei mit schuld am Untergang der Wirtschaft. Und überhaupt, Lena, war das nicht ein russischer Name? Am Ende waren ihre Eltern sogar Kommunisten! Dass ich mit Lena seit meiner Schulzeit befreundet war und seit der Uni zusammenwohnte, betrachteten sie als äußerst schlechten Einfluss und eigentlichen Grund, weshalb ich mit sechsundzwanzig Jahren noch nicht einmal verlobt war.
    »Vielleicht ist sie ja lesbisch«, hatten meine Eltern schon geargwöhnt, nur weil Lena nichts über ihr Privatleben, das sehr testosterongetränkt war, ausplauderte. Dass Lena einer Verlobung um einiges näher war als ich, verschwieg ich meinen Eltern gegenüber lieber, denn die nackte Panik wollte ich nicht bei ihnen ausbrechen sehen.
    Just in dem Augenblick, in dem meine Mutter mir die Vorzüge Jan Habermanns schilderte, gesellte sich mein Vater zu uns, der wie immer todschick gekleidet war. Er sah sehr gut aus für sein Alter und war ein glänzender Unterhalter.
    »Wen soll Lotte treffen?« Er nannte mich immer noch Lotte und nicht »Scharlott« , wofür ich sehr dankbar war.
    Meine Mutter wehrte ab.
    »Das verstehst du nicht, Leonard. Das ist Frauensache, une chose de femmes . Ich finde, es ist an der Zeit, dass sich Scharlott nach einer guten Partie umschaut. In ihrem Alter hatte ich bereits zwei Töchter, und Katharina ist erst vierundzwanzig und schon verlobt.«
    Katharina, das Goldstück, war Marlenes Tochter, die meiner Schwester und mir bei jeder Gelegenheit als
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