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Flurfunk (German Edition)

Flurfunk (German Edition)

Titel: Flurfunk (German Edition)
Autoren: Anke Greifeneder
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arbeitete noch. Das war mir schon die letzten Tage aufgefallen. Ob die immer so lange da waren?
    »Charlotte ist die neue Praktikantin von nachgefragt .Ihr kennt sie vielleicht schon vom Sehen«, führte Mimi mich ein. Sie war beliebt, das konnte man spüren. Kein Wunder, Mimi war eine dieser natürlichen Schönheiten, die auch ohne Aufwand umwerfend aussehen. Dunkles langes Haar, leicht gelockt, große braune Augen, eine feine Nase, volle Lippen und ein Teint, als ob ihre Haut noch nie Großstadtluft und Abgase geatmet hätte. Sie war groß, wohlproportioniert und hatte ein ansteckendes Lachen. Ich war mir nicht sicher, ob es an Mimi lag, aber auf alle Fälle wurde ich sehr herzlich empfangen, und meine Unsicherheit, fehl am Platz zu sein, schwand von Minute zu Minute. Es war auch nach einigen Tagen immer noch alles aufregend und neu, aber dieser Tag endete zumindest bedeutend freundlicher, als er begonnen hatte.
    Mimi zeigte auf ein großes Glasbüro und erklärte, dass es das Reich des Programmchefs sei.
    Unauffällig schielte ich durch die Scheibe. Am Schreibtisch saß ein locker gekleideter Mittdreißiger mit Zigarette in der einen Hand und dem Hörer in der anderen. Überhaupt schien hier jeder zu rauchen. Durch die Scheiben konnte man sein dröhnendes Lachen hören.
    »Das ist unser Programmchef Ralph Reigell. Ist ein guter Typ, dem kannste vertrauen.«
    Das war also Ralph. Ich hatte seinen Namen schon mehrfach in einem Meeting gehört.
    Wie jung hier alle waren, selbst in hohen Positionen! Oder sahen sie bloß jung aus? Vielleicht lag es an den Klamotten. Bei Anzugpflicht und Turnschuhverbot würde der eine oder andere auch älter aussehen.
    Es war schwer, sich alle Namen und Abteilungen zu merken, jedoch schienen die Praktikanten und Volontäre zusammenzuhalten.
    Tim, ein gut aussehender, wenn auch leicht mürrisch dreinblickender Praktikant bei entertainment tonight , dem täglichen Promimagazin auf TV -plus , durchwühlte gerade die Bravo nach Eastway, dieser irischen Boyband, und murmelte vor sich hin: »Die haben doch ’ne neue Single, da muss doch was drin sein«, als Mimi ihn unterbrach, um mich vorzustellen.
    Tim sah ziemlich gut aus. Wenn man Sean Penn und Noel Gallagher kreuzen würde, käme Tim dabei raus. Dunkle strubbelige Haare, blaue stechende Augen und einen eigenwilligen, stolzen, leicht mürrischen Gesichtsausdruck.
    »Du bist also auch Prakti, Charlotte. Na ja, der Laden läuft ja nur mit Praktis. Wir sind alle billig, arbeitswillig, hach, das reimt sich ja …«, freute sich Tim.
    »Ich hab gerade nach ’nem Poster von Eastway gesucht, denn Meli möchte wissen, welcher von denen verzaubert ist, also muss Garrett drauf sein.«
    »Tim ist ebenfalls verzaubert, nehme ich an«, flüsterte ich Mimi zu, als wir weitergingen. Nicht, dass er tuckig wirkte, aber solche Prachtexemplare waren oft schwul. Leider! Denn diese Gene gehörten weitergetragen!
    »Das kannste wohl laut sagen. Tim ist klasse und ein super Gaider«, klärte Mimi mich auf.
    Nun gut, ich hatte geahnt, dass wir neue Wortschöpfungen den jungen hippen Menschen in den Medien zu verdanken hatten, aber was in aller Welt war ein Gaider ? Jeder blamiert sich, so gut er kann, und so fragte ich nach.
    Mimi lachte. »Wo lebst du denn? Gaider kommt von gay gleich schwul und aider bedeutet Helfer, soll heißen, er kann dir sagen, wer in seinem und wer in unserem Team spielt. Gehst du auch zur U-Bahn?«
    »Nee, ich bin mit dem Auto da. Wo musst du denn hin?«
    Mimi wohnte im Westen, und da ich heute noch bei meinen Eltern vorbeischauen musste, bot ich ihr an, sie nach Hause zu fahren.
    Als ich den Wagen aufschloss, rief Mimi ungläubig: »Das ist aber nicht deine eigene Karre? Du kommst doch direkt von der Uni, oder?«
    Ich gestand, den Range Rover zum Abi bekommen zu haben. Dass ich noch einen Mini fuhr, verschwieg ich lieber.
    »Deine Eltern müssen ja Asche haben. Aber wie ’ne typische Germanistin siehst du auf alle Fälle nicht aus. Nach Kunstgeschichte schon eher«, stellte Mimi fest. Wenn sie etwas war, dann offen heraus. Ich mochte sie und war froh, sie getroffen zu haben.
    Nachdem ich Mimi zu Hause abgesetzt hatte, bog ich in die Straße ein, in der meine Eltern wohnten, gab den Code zur Einfahrt ein und fuhr den beleuchteten Privatweg hinauf. Vor den Garagen parkten mehrere Autos, und der Garten war hell angestrahlt. Volles Programm! Wenn meine Eltern einen Empfang gaben, kam die gesamte Lokalprominenz und, was vor allem für
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