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Flug in Die Nacht

Flug in Die Nacht

Titel: Flug in Die Nacht
Autoren: Dale Brown
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einen Wirbelsturm, der eine Flammensäule in den wolkenverhangenen Nachthimmel aufsteigen ließ.
    Kapitän Han beobachtete den spektakulären Feuersturm, indem der philippinische Bohrturm verschwunden war, einige Augenblicke lang, bevor er merkte, daß die Wenshan sich wieder auf ebenem Kiel befand – und daß ihr vorderes 6-cm-Geschütz das Feuer eröffnet hatte und die Flammensäule mit zwanzig Kilogramm schweren Granaten beschoß.
    »Feuer einstellen!« rief Han seinem Wachoffizier zu, der die Szene fasziniert beobachtete. »Feuer einstellen!« wiederholte er, bevor das Geschütz endlich schwieg. »Rudergänger! Eine Meile weit von der Insel ablaufen. Unsere Boote verständigen und Hong Lung melden, daß wir in tieferes Wasser laufen.«
    Während die Wenshan von den noch immer in Flammen gehüllten Prähmen ablief, schoß die Xingyi zwei weitere Lenkwaffen ab, bevor Admiral Yin auf der Hong Lung die Feuereinstellung befahl. Schon eine Fei Lung-7 hätte genügt, um jeglichen Widerstand der Bohrmannschaft zu brechen; zwei Marschflugkörper hätten die Prähme, den Bohrturm und alle sonstigen Einrichtungen restlos zerstört. Und vier Lenkwaffen – die Hälfte des Bestands an Bord der Xingyi – hätten einen Flugzeugträger verwüsten können.
    Yins Absicht war klar: Auf der Insel sollte es keine Überlebenden geben.
    »Sieben, hier Drache«, begann der Funkspruch.
    »Prisenkommandos an Bord nehmen und in den Verband zurückkehren. Kommen.«
    Diesmal griff Kapitän Han selbst nach dem Mikrofon.
    »Verstanden, Drache«, antwortete er. »Ich schlage vor, daß eines meiner Boote nach Überlebenden sucht. Kommen.«
    »Abgelehnt, Sieben«, lautete die Antwort. »Drachenführer befiehlt Rückzug aller Dracheneinheiten.«
    Eine Stunde später wurden die letzten Überreste des philippinischen Bohrturms und der Prähme bei einsetzender Flut von der Windsee des Südchinesischen Meers weggeschwemmt. Abgesehen von einigen verbogenen Röhren und verkohlten Leichen hatte die Bohrstelle auf Phu Qui Island zu existieren aufgehört.
Malacanang-Palast, Manila, Philippinen
Donnerstag, 9. Juni 1994, 06.02 Uhr Ortszeit
    Seit Fernando Marcos’ Jahren war der Malacanang-Palast, der Amtssitz des Präsidenten der Philippinen, erheblich umgebaut worden. Aus Sorge um seine Sicherheit hatte Marcos den eleganten Herrensitz im spanischen Kolonialstil des 18.
    Jahrhunderts in eine häßliche Festung verwandeln lassen. Um sich von den diktatorischen Exzessen des Marcos-Regimes zu distanzieren, hatte Corazon Aquino es vorgezogen, das schlichtere Gästehaus zu bewohnen und den Palast in ein Museum der Schande umzuwandeln, in dem Einheimische und Touristen Marcos’ unterirdischen Bunker und Imeldas riesiges Schlafzimmer, ihr gewaltiges Himmelbett, ihre berühmt-berüchtigten Schuhschränke und ihren kugelsicheren Büstenhalter bestaunen konnten.
    Erst der neue Präsident der Philippinen, der siebzigjährige Arturo Mikaso, ließ den Palast in eine historische Stätte zurückverwandeln, die auch seinen Amtssitz und Arbeitsräume für sein Kabinett enthielt. Der Malacanang-Palast wurde im alten Stil wiederhergestellt, die massiven Sicherheitsbarrieren verschwanden, und der Palast stand wie das Weiße Haus in Washington für Führungen offen, wenn der Präsident nicht anwesend war. Im Laufe der Zeit wurde der Palast wieder zu einem Wahrzeichen der Hauptstadt Manila.
    Aber jetzt, kurz nach Sonnenaufgang, fand im Palast eine hastig einberufene Kabinettssitzung statt. In Mikasos Amtszimmer, von dem aus er den Fluß Pasig sehen konnte, – der sich durch den Norden Manilas schlängelte, trank der Präsident mit kleinen Schlucken seinen Tee. Der weißhaarige Mikaso war größer und stämmiger als die meisten Filipinos und ein bei seinen Landsleuten sehr beliebter Großgrundbesitzer und Exsenator. Um die Präsidentschaftswahlen gewinnen zu können, hatte er sich mit der Nationalen Demokratischen Front –d er politischen Hauptorganisation der philippinischen Kommunisten – und der Nationalen Moro-Befreiungsfront – einer pro-islamischen Bewegung moslemischer Filipinos im Südendes Landes – verbünden müssen.
    »Wie viele Tote hat’s gegeben, General?« fragte Mikaso.
    »Dreißig Männer, alles Zivilisten«, antwortete der Generalstabschef des philippinischen Heeres, General Roberto La Loma Santos, ernst. »Ihr Prahm ist von einer rotchinesischen Patrouille beschossen worden. Keine Aufforderung zur Übergabe, kein Pardon, kein Versuch, die
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