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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz
Autoren: Debora Zachariasse
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Tages kommt sie mit einem Boot über den Krummen Rhein gefahren. Das Bild sehe ich ständig vor mir und es gibt mir Kraft.«
    »Ja«, sage ich. »Mir geht’s ähnlich. Ich stelle mir immer vor, dass sie auf dem Rad hinter mir herfährt. Und ab und zu sehe ich nach, ob sie mir gemailt hat.«
    Sharima nickt. »Was würde ich darum geben, wenn sie noch da wäre und sich mit mir rumstreiten würde. Dann würde ich ihr tüchtig die Meinung sagen und anschließend wäre alles wieder für eine Weile gut. Weißt du, ich hätte es sehen müssen. Aber ich war so verliebt in meinen Laden, hatte für nichts anderes mehr Zeit. Und jetzt ist es zu spät.«
    Die Bedienung bringt zwei große Cola
.
    »Danke«, sagt Sharima. Ihre Stimme bebt leicht
.
    »Ihr Laden ist so toll«, sage ich. »Ist doch klar, dass Sie sich da reinknien mussten. Das hat Tibby sicher verstanden.«
    »Ich verkaufe den Laden. Weil ich mich dort einfach nicht mehr wohlfühle. Bei jedem Tuch, das ich in die Hand nehme, denke ich an Tibby. Das orangefarbene Tuch, erinnerst du dich, das ich ihr umgebunden habe, das war mein schönstes, teuerstes, von Dolce & Gabbana. Aber wenn ich den Mistladen nicht gehabt hätte, dann säßen wir jetzt hier zu dritt beisammen.«
    Ich sage nicht, dass Tibby Orange gehasst hat, sondern frage stattdessen: »Und was haben Sie vor?«
    »Jeff und ich verreisen für eine Weile. Von dem Geld, das der Laden bringt, kaufen wir ein Wohnmobil und gehen mit MaiZZ auf Tournee. Fenz hat mich gebeten, für die Band das Styling zu übernehmen. Glaub mir, das wird nicht einfach, bei diesen Typen!«
    »Ist ja cool«, sage ich
.
    »Wir werden eine ganze Weile unterwegs sein. Fenz’ älteste Tochter lebt in Norditalien. Sie betreibt an der Küste einenCampingplatz. Und ich hab eine Schwester in Mailand und eine Cousine in Verona. Kann gut sein, dass wir ein halbes Jahr wegbleiben. Oder noch länger.«
    Ich nicke und habe das Gefühl, dass nun endgültig ein wichtiges Kapitel meines Lebens zu Ende geht
.
    »Ihr werdet mir fehlen.«
    Sharima kramt in ihrer Tasche. »Schau mal, das hab ich auf Tibbys Schreibtisch gefunden.« Sie gibt mir eine Postkarte, auf der hinter einem filigranen Gittertor ein sonnenbeschienener Garten zu sehen ist. Das Tor ist einen Spalt offen
.
    Mir wird eng in der Brust
.
    Ich drehe die Karte um
.

    steht da in Tibbys Krakelschrift
.

    Ich muss schniefen
.
    »Die Karte ist für dich, Anna, das stand auf dem Umschlag. Hoffentlich bist du mir nicht böse, dass ich sie dir eine Weile vorenthalten habe«, sagt Sharima
.
    »Danke«, bringe ich mit Mühe heraus. »Ich finde, Sie sollten die Karte behalten.«
    Sharima seufzt. »Ach, du bist so ein liebes Mädchen. Tibby hatte Glück, eine Freundin wie dich zu haben. Aber das weißt du, nicht wahr?«
    Mein Kopf weiß es und allmählich glaubt auch mein Bauch daran. Das Bauchweh ist jedenfalls weg
.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, was diese Karte mir bedeutet hat«, sagt Sharima. »Aber jetzt brauche ich sie nicht mehr, außerdem war sie an dich gerichtet.«
    »Danke«, sage ich. »Wie kommt es eigentlich, dass Sie nie weinen? Das wäre doch nur normal.«
    »Eins kannst du mir glauben: Wenn ich demnächst neben Jeff im Wohnmobil sitze und wir über die Autobahn fahren, dann heule ich Rotz und Wasser und schreie meinen ganzen Kummer heraus. Tagelang. In Verona werde ich jammern und klagen und den Mond anheulen. Mag sein, du hältst mich für hart und gefühllos, aber im Moment geht es darum zu überleben. Ich muss den Laden verkaufen und Jeff unterstützen, damit er sich nicht ständig zuschüttet. Oder komplett abstürzt. Glaub mir, bei dem Mann ist alles drin. Heulen kann ich später, jetzt aber muss ich stark sein.«
    Sie beugt sich vor und wischt mir die Tränen von den Wangen. »So, ich muss gehen. Du bist ein gutes Mädchen, Anna, und die liebste, beste Freundin, die ein Mensch haben kann. Denk immer dran, ja? Und leb weiter. Dich trifft keine Schuld. Tibby hat sich entschieden zu gehen, und wir können nur hoffen, dass es ihr gut geht, da wo sie jetzt ist. Wir aber müssen hier zurechtkommen und weiterleben.«
    Ich stehe auf. »Alles Gute für Sie«, sage ich
.
    »Falls es kein großer Umweg für dich ist, könntest du dann Jeff die Einkäufe hier vorbeibringen? Er würde sich bestimmt freuen, dich zu sehen.« Sharima gibt mir eine volle Plastiktüte
.
    Ich muss lachen. Typisch, sie ist wieder ganz die Alte
.
    Trotzdem bin ich froh, nun einen Vorwand zu haben, bei Jeff
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