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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz
Autoren: Debora Zachariasse
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das weißt du ja schon. Friede?«
    Ich mag dich, sagte ihr Lachen. Das machte mich froh, denn trotz ihres schlabberigen T-Shirts war ich ziemlich beeindruckt von ihr. Weil sie sich nichts gefallen ließ.
    Mir war, als würde ich sie schon seit Jahren kennen. Und dann fiel mir ein, dass das sogar stimmte: Wir kannten uns tatsächlich von früher, aus dem Kindergarten.
    »Warum hast du das vorhin gesagt?«, fragte Eileen noch einmal, als Tibby weg war. »Das war echt nicht nett.«
    Ja, warum? Warum sagte ich immer genau das Falsche? Ich sollte öfter den Mund halten. Aber selbst wenn ich ihn fest zupresste, rutschte mir noch etwas raus.
    »Tut mir leid«, sagte ich nur, denn Eileen hätte es sowieso nicht verstanden. Ich verstand ja selbst nicht, was manchmal mit mir los war.
    Eileen denkt nie irgendwelche schrägen Sachen, die ihr dann einfach rausrutschen. Bei ihr weiß man immer, woran man ist. Und deshalb mag ich sie auch so gern.

2
    Es waren die Rastazöpfe! Bei den Fahrradständern fiel es mir plötzlich ein. Die Rastazöpfe und diese komischen Klamotten. Tibby sah jetzt völlig anders aus als im Kindergarten und in der Grundschule. Damals hatte sie kurzes schwarzes Kraushaar und trug knallbunte Kleider. Jetzt lief sie in einem verwaschenen blauen T-Shirt und einer viel zu weiten Jeans herum. Aber ihre Augen waren noch wie früher. Wir waren damals befreundet. Tibby und ich.
    Sie war ziemlich, naja, temperamentvoll. Als sie in die Kindergartengruppe kam, griff sie sich ein Feuerwehrauto und schlug damit um sich. Gleich am ersten Tag. Ich setzte mich als Einzige zur Wehr, mit einem Krankenwagen, glaube ich, und von da an waren wir Freundinnen, bis sie nach der zweiten Klasse die Schule wechselte.
    »Kommst du mit zu mir?« Auf einmal stand Tibby mit ihrem Fahrrad neben mir. Sie lächelte mich an, warm und einladend.
    Ich zögerte. Um halb sechs hatte ich Geigenunterricht und musste dafür noch üben. Viola meckerte, wenn ich nicht übte, und ich kriegte diese Doppelgriffe einfach nicht hin.
    »Ich kann nicht, leider.«
    »Macht nichts. Dann eben morgen. Du musst unbedingt unser Haus sehen.« Das war keine Frage.
    »Morgen hab ich Hockeytraining.«
    »Du hast ja ganz schön viel um die Ohren«, sagte sie.
    »Geigenunterricht, Orchester, Hockey, Hausaufgaben, das Übliche eben«, sagte ich. »Ist das bei dir nicht so?«
    »Nein. Bei uns geht’s locker zu.«
    Wir schlossen unsere Fahrräder auf.
    »Auch das noch!« Tibbys Hinterreifen war platt. Sie ließ die Schultern hängen.
    »Ist es weit bis zu dir nach Hause?«
    »Eine halbe Stunde zu Fuß.«
    Eine halbe Stunde!?
    »Setz dich auf meinen Gepäckträger«, entschied ich. Die Doppelgriffe mussten warten.
    Tibby zögerte. »Ist nicht nötig«, sagte sie. »Du hast doch noch was vor.«
    »Schon okay«, meinte ich.
    Ihre Miene hellte sich auf. »Ich kann den Reifen ja flicken, wenn jemand Flickzeug hat.«
    Jemand? Warum fragte sie mich nicht direkt? Ich war doch die Einzige weit und breit.
    Unter meinem Sattel war eine kleine Tasche – mit Flicken, Aufraupapier, Gummilösung, Reserveventil, Ersatzlampen, einfach allem. Eine komplette Ausrüstung, dank Pa.
    Erst wollte Tibby den Reifen selbst flicken. Nach drei vergeblichen Versuchen griff ich ein. Pa hatte mir das Flicken beigebracht, obwohl ich pannensichere Reifen habe.
    »Eigentlich brauchst du einen neuen Mantel«, sagte ich. »Guck mal, da ist gar kein Profil mehr drauf.«
    »Aber du kriegst es doch hin, oder?«
    »Klar«, meinte ich.
    »Danke.«
    Viel genützt hatte meine Hilfe allerdings nicht, denn kaum waren wir ein paar Straßen weiter, war der Reifen wieder platt.
    »Dann spring auf«, sagte ich. »Geht das mit dem Rad?«
    »Kein Problem.« Tibby schwang sich auf meinen Gepäckträger und hielt ihr Rad am Lenker fest.
    Sie kicherte, als wir schwankend und schlingernd losfuhren. »Du musst lenken!«
    »Mach ich ja!«
    »Geradeaus!«, kreischte sie.
    Es klappte ganz und gar nicht. Ich lenkte, was das Zeug hielt, doch plötzlich lag Tibby auf dem Boden, neben ihrem Rad.
    Wir versuchten es noch einmal. »Halt das Rad gerade!«, rief ich nach hinten.
    Aber ob ich nun viel oder wenig lenkte, Tibbys Rad drehte immer in die entgegengesetzte Richtung ab.
    Erst nach einer halben Stunde abenteuerlicher Zickzackfahrt kamen wir kichernd bei ihr zu Hause an.
    Um das Haus wuchs eine verwilderte Hecke, die von Kletterrosen überwuchert war. Durch einen notdürftig geschnittenen, dornigen Heckenbogen gelangten wir in
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