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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz
Autoren: Debora Zachariasse
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vorbeizuschauen. Sonst würde ich es doch nur vor mir herschieben
.
    Das Haus bietet einen deprimierenden Anblick, trotz der Vorfrühlingssonne. Der Putz blättert, die Fensterläden hängen schiefer denn je, und der ganze Garten scheint um Tibby zu trauern. Nur das Geißblatt hält sich wacker und treibt neu aus
.
    Tibbys Haus ohne Tibby …
    Ich gehe durch den Vorgarten und stehe mit einem Mal vor Jeff. Er hat sich seit mindestens einer Woche nicht mehr rasiert. Seine Augen sind geschwollen und blutunterlaufen
.
    »Hi, Anna. Ich wollte gerade mal nachsehen, was der Garten so macht
. Come on in«,
sagt er, freundlich wie immer
.
    Wir gehen in die Küche
.
    »Ein Glas Cola?«
    »Ich hab hier ein paar Sachen für Sie.«
    »Ach, das wär doch nicht nötig gewesen.«
    »Von Sharima.«
    »Tja, vielen Dank. Sie hält mir jeden Tag vor, ich soll vernünftig essen.«
    »Ja«, sage ich nur
.
    »Wir gehen für eine Weile weg, hat sie dir das erzählt? Um auf andere Gedanken zu kommen, nach allem, was passiert ist.«
    Ich setze mich auf das orangefarbene Sofa und warte, dass Jeff noch etwas sagt. Von der warmen gemütlichen Atmosphäreist in der Küche nichts mehr zu spüren. Neben mir und auf der Waschmaschine türmt sich ungebügelte Wäsche. In einer Ecke liegen umgefallene Flaschen, alle leer. Wein, Whisky, Schnaps. Dazu ein Kasten mit leeren Bierflaschen
.
    Jeff fängt an zu reden, kommt ins Faseln, wiederholt sich. Er erzählt von seinem Gemüsegarten und dass er dieses Jahr nichts anbauen werde, weil sie fortwollen, irgendwie sei das doch schade …
    Er redet und redet, träge und schleppend, so als müsse er etwas mit sich herumtragen, das ihm viel zu groß und viel zu schwer ist
.
    Ich unterbreche ihn nicht, sondern mache mich daran, die Wäsche zusammenzulegen, lausche seiner Stimme wie einem Hintergrundgeräusch
.
    JP sei da gewesen, sagt er, und Fred auch, und die beiden seien voll in Ordnung. Dann geht es wieder um den Garten, der ihm fehlen wird. Aber er könne sich auch nicht vorstellen, darin zu arbeiten, ohne seine
sweet pea.
    »Sharima meint, es wär gut, mal für ’ne Weile weg zu sein. Sie will ein Wohnmobil kaufen oder so, weiß nicht genau. Wir müssen hier raus, sagt sie, aber irgendwie find ich das nicht so gut, ich weiß nicht, ist ja auch ’ne Art Flucht. Andererseits müssen wir weiterleben, nicht?«
    Er wischt sich die Augen und trinkt einen großen Schluck Cola. Dann nimmt er die Schnapsflasche und gießt einen tüchtigen Schuss hinein. Mir bietet er auch welchen an, sagt: »Ach Gott, nein, was mach ich da, entschuldige«, und fängt an zu heulen.
»What a mess, my little sweet pea.
Sie ist fort. Alles verloren. Was soll bloß werden?«
    Jeff muss wirklich weg, denke ich, und zwar bald, sonst geht er noch vor die Hunde
.
    Und ich will auch weg. Ich stehe auf
.
    »Danke für die Cola«, sage ich. »Und alles Gute.«
    »Nett, dass du gekommen bist, Anna
. Thanks for your help.
Ach, dir fehlt sie auch so sehr, nicht? Moment mal …«
    Er wischt sich die Augen und geht dann ins Freie
.
    Ich folge ihm
.
    Er holt ein paar Samentütchen aus dem Schuppen, außerdem eine Handschaufel und eine kleine Hacke. Dann füllt er einen Blumentopf mit Erde, sticht ein Stück Geißblatt ab und pflanzt es umsichtig, fast schon zärtlich, ein. »Tibby hat mal gesagt, dass du den Duft so gern magst. Und das hier ist auch für dich, als Andenken.«
    Er gibt mir die Tütchen. Es sind Samen für Salat und Süßerbsen. Dazu Tibbys kleine Schaufel
.
    Ich schluchze ein Dankeschön und er schluchzt eine unverständliche Antwort, und plötzlich müssen wir beide lachen
.
    Als ich gehe, winkt er mir nach, und für einen kurzen Augenblick ist mir, als würde Tibby neben ihm stehen, mit hängenden Schultern
.
    Auf dem Nachhauseweg bläst der Wind mir die Tränen aus den Augen. Ich wische sie ab. Und weiß mit einem Mal, wie ich Abschied nehmen kann, ohne dass all das Schöne verloren geht
.
    Als ich in meinem Zimmer bin, erzähle ich es Anubis. Er lächelt sein sanftes goldenes Lächeln
.
    Vergiss nicht, was sie dir gegeben hat.
    Ich gehe in den Vorgarten, hebe etwas Erde neben der Haustür aus und pflanze das Geißblatt ein. Dann fülle ich einen der ordentlichen Blumenkästen mit Erde und säe den Salat aus. Und während ich damit beschäftigt bin, wird mir endgültig klar, was ich zu tun habe
.

Reise in die lichte Welt
    Als alles vorbereitet ist, rufe ich Easy an. »Hast du morgen nach der Schule Zeit?«
    »Klar. Wollen wir
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