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Fluegel der Dunkelheit

Fluegel der Dunkelheit

Titel: Fluegel der Dunkelheit
Autoren: Angela Planert
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über ihren Mund.
    »Können sie das
Objekt zum Schweigen bringen?«
    Liana nahm den
Geruch von Latex wahr. Dieser Typ hielt ihr den Mund zu. Noch einmal
riss sie erfolglos an ihren Fesseln. Dann zuckte sie zusammen. Vor
Schreck gab ihre Blase nach. Ein breiter Klebestreifen legte sich
über ihren Mund, in dem noch immer der Speichelsauger steckte. Nun
sammelte sich kalter Schweiß auf ihrer Stirn. Tränen schossen ihr
in die Augen und liefen an den Schläfen hinunter. Um den rechten
Oberarm legte jemand einen weiteren Gurt und zog ihn fest zu. Die
Armbeuge wurde feucht abgewischt. Liana wand sich ohne Erfolg. Dem
Stich am Arm folgte ein schmerzender Druck, der sich bis weit in den
Oberarm hineinzog. Die Injektion wurde viel zu schnell gespritzt.
Verdammt! Was waren das für Anfänger? Sie übergab sich, um nicht
zu ersticken, würgte sie es herunter. Durch das permanente Absaugen
war ihr Mund nun schon ganz trocken geworden. Sie musste die Angst
besiegen, um jeden Preis. Sie lauschte, zählte die Töne der
Überwachungsmaschine, die Ihren rasenden Herzschlag akustisch
wiedergaben, bis sie einen dumpfen Schmerz im Unterleib spürte. Das
Klappern der OP-Instrumente klang ungewöhnlich schrill. Etwas Kaltes
schob sich in ihre Scheide.
    »Nein!«
    Geweckt von ihrem
eigenen Schrei, schoss Liana in die Höhe. Sie warf die Bettdecke von
sich und strich über den Mund, dann über den Bauch und zwischen die
Beine. Sie war nass geschwitzt, aber alle Wahrnehmungen und
Empfindungen waren verschwunden. Was für ein furchtbarer Alptraum!
Gott sei Dank! Oder nicht? Nein, ihre Nerven spielten ihr nur einen
Streich, da war niemand.
    Stand da nicht
jemand im Türrahmen? Im Flur war es dunkel. Doch das spärliche
Licht der Straßenbeleuchtung hinter den heruntergelassenen Jalousien
zeichnete menschliche Umrisse in einen bläulichen Strahlenkranz.
»Ich brauche deine Hilfe«, behauptete die Gestalt mit weicher,
heller Stimme. Liana war wie gelähmt. Sie konnte sich einfach nicht
rühren. Der Schatten löste sich jetzt aus dem Türrahmen, näherte
sich. Langsam, schwebend. »Bitte«, flüsterte er, um sich dann ohne
Vorwarnung auf Liana zu stürzen. Doch statt eines Zusammenpralls
spürte sie ein merkwürdiges Kribbeln in ihrem Körper, dabei ließ
die Starre nach. Panisch tastete sie nach der Bettlampe, machte Licht
und sah sich um. Niemand war zu sehen. Immer noch zitternd suchte sie
das Schlafzimmer ab, schaute in den Schrank, unter das Bett, hinter
die Tür. Nichts, keine Spur auf dem Teppich, keine Hinweise, dass
jemand hier gewesen war. Die Gestalt gehörte zu ihrer überspannten
Fantasie aus den Träumen. Die weiße Frau aus dem Roman von Wilkie
Collins. Ihre Wohnungstür war abgeschlossen und Geister gab es
nicht. Mit den Gefühlen der Hilflosigkeit aus dem Traum konnte sie
unmöglich wieder einschlafen. Sie legte sich auf die Couch ins
Wohnzimmer und schaltete durch das Fernsehprogramm. Bei einer
Tierdokumentation blieb sie hängen und schlief darüber ein.

Unter der Erde

    T raian sah
sich um, bevor er die spärlich beleuchtete Straße zum Parkhaus
entlang ging. Keine Menschenseele war zu dieser frühen Morgenstunde
unterwegs. Er drückte die schwere Eisentür zum Treppenhaus auf.
Durch den Bewegungsmelder schaltete sich das zunächst schwache
Energiesparlicht an, welches mit jeder weiteren Stufe, die Traian
nach unten stieg, an Intensität zunahm. Sein Blick fiel auf die Tür.
›Parkebene 7‹. Inzwischen schien ihm diese gelbgestrichene Tür
so vertraut, wie seine eigene Haustür. Er zog die stabile Metalltür
auf. Der Geruch von Abgasen, Gummi und frischer Farbe lag in der
Luft. Erst in einer Stunde, gegen fünf Uhr, würden die grellen
Leuchtstofflampen die Parkebene erhellen, jetzt brannte lediglich die
Notbeleuchtung, die Traian ausreichte, um zwischen den Pfeilern und
leeren Parkplätzen zur Nordwand zu laufen. Nur die quietschenden
Gummisohlen seiner schwarzen Lederschuhe auf dem glatten
Betonfußboden unterbrachen die Stille. Seit fast einem Jahr ging er
täglich diesen Weg und jeden zweiten Morgen gönnte er sich ein Glas
eines guten Rotweins, bevor er schlafen ging. Am liebsten bei Ion,
dem Weinhändler, der von Weinen eine ganze Menge verstand. Mit ihm
konnte sich Traian auch unterhalten. Das lag vermutlich auch daran,
weil Ion viel erzählte, ihn aber nicht mit neugierigen Fragen
bedrängte.
    Die Nische von
fünfzig mal fünfzig Zentimetern lag jetzt einen Schritt von ihm
entfernt. Obwohl er genau wusste, dass
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