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Fluegel der Dunkelheit

Fluegel der Dunkelheit

Titel: Fluegel der Dunkelheit
Autoren: Angela Planert
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ihm niemand gefolgt war,
drehte er sich um und vergewisserte sich, wirklich unbeobachtet zu
sein. So wie er es erwartet hatte, erstreckte sich die menschenleere
Parkebene hinter ihm. Er trat in die Ecke und legte seine Hand auf
die abgeplatzte Mauerstelle in der Nordwand. Einen Atemzug später
ruckelte der Boden der Nische und fuhr an den drei Schienen an der
Wand entlang in die Tiefe. Traian schloss die Augen. Er mochte es
nicht, wenn die Wände an ihm vorbei huschten. Zu viele Erinnerungen
kamen bei diesem Anblick hoch. Die Fahrt wurde langsamer und stoppte
letztlich.
    »Warum machst du
immer die Augen zu, wenn du runter kommst?«, empfing ihn die dunkle
Stimme der Aufsicht.
    Traian sah auf, trat
dabei von der kleinen Plattform herunter, damit diese wieder nach
oben fahren konnte. Der Kerl war einer Antwort nicht würdig, er
würde seine Beweggründe ohnehin nicht verstehen.
    »Hey!« Er hielt
Traian am rechten Oberarm fest. »Bist dir wohl zu fein, mit mir zu
...« Traian packte ihn blitzschnell mit der linken Hand am Kragen.
Er bemühte sich, all seine Verachtung in seinen Blick zu legen. Sein
Gegenüber ließ ihn augenblicklich los.
    »Mann! Ich hab nur
Spaß gemacht. Welcher Virus ist dir denn über die Milz gelaufen?«
Traian machte eine wegwerfende Handbewegung, als er den Kerl stehen
ließ. Hier unten tickten die Uhren anders, als oben in der
Großstadt. Was oben die Berliner Polizei erledigte, nahm hier
Manuels berüchtigte Schlägertruppe auf sich. Auch die Aufsicht
gehörte zu ihnen. Wer hier dem Ärger aus dem Weg gehen wollte,
musste sich zwangsläufig mit Manuel Popescu gut stellen. Traian
hegte kein Interesse an Manuel und schon gar nicht an seiner Truppe.
Wonach er sich sehnte, war Sicherheit und Frieden. Während die
meisten hier unten luxuriöse Hotels, Spielhallen, Internetcafés und
vornehme Wohnungen bevorzugten, wählte Traian bescheidene Pensionen.
Lediglich bei der Wahl seiner Kleidung legte er großen Wert auf
professionelle Handarbeit, die nur von einem echten Vampir gefertigt
werden konnten. Sein schwarzer knielanger Ledermantel war in seiner
aufwendigen Verarbeitung aus einzelnen Rauten einzigartig
zusammengesetzt, ebenso wie seine schwarze Lederhose, die auf seine
schmale und doch athletische Figur passgerecht zugeschnitten war. An
den kleinen Läden vorbei ging Traian die spärlich beleuchteten
Gänge entlang. Wie oben in der Großstadt boten auch hier Händler
ihre verschiedensten Waren an. Von Kosmetikartikeln über Kleidung,
Genussmittel, Computerbedarf, Möbeln bis hin zum Kasino existierten
hier alle nur denkbaren Geschäfte, Dienstleistungen und
Etablissements. Traians täglicher Gang führte ihn auch heute zu Ion, dem Weinhändler. In einem, aus alten Ziegelsteinen gemauerten
Gewölbe, befanden sich sieben
massive Holztische mit schlichten Hockern. Ein Tisch stand etwas
Abseits in einer schummrigen Ecke und genau dies war Traians
Stammplatz.
    »Na, einsamer
Kämpfer«, neckte ihn Ion, »das Übliche?« Traian nick te ,
um seine Bestellung zu bestätigen. Kurz darauf kehrte Ion mit einem
gut gefüllten Glas Rotwein zurück.
    »Lass es dir
schmecken, Junge!« Er zwinkerte ihm zu. »Habe ich dir eigentlich
schon mal von Mitica Popescu erzählt, wie er seinerzeit hier diese
Stadt gegründet hat?«
    »Wenigstens zwanzig
Mal, Ion!« Traian musste zwischen den langen Strähnen seiner
dunklen Haare hindurchschauen, um Ions faltiges Gesicht zu erkennen.
Er liebte seinen haarigen, kinnlangen Vorhang, der ihm eine gewisse
Distanz zu seiner Umgebung verschaffte und ihm damit nicht das Gefühl
von Blöße vermittelte.
    Ion nickte.
»Schade!« Dann verschwand er wieder hinter seiner Theke. Ion
unterhielt sich gern mit seinen Gästen, das hatte Traian schon
wiederholt beobachtet. Aber für Gespräche war er definitiv nicht
der Richtige. Traian nahm sein Glas in die Hand, führte es Richtung
Nase und nahm mit geschlossenen Augen den köstlichen Duft von
Gegorenem, Kork und Traubenschalen wahr. Ein vielversprechender
Geruch, der beim ersten Schluck seine Erwartung bestätigte.
    »Du scheinst mir
der geborene Weinkenner zu sein!« Traian blickte auf. An seinem
Tisch saß ein unbekannter Mann. Die breiten Schultern wirkten auf
ihn wie eine drohende Mauer aus Muskeln. Er trug sein langes,
graumeliertes Haar zu einem Zopf gebunden. Das hatte nach Traians
Geschmack Stil. Es passte zu dem Typen.
    »Woher kommst du?«
Er stützte seine Ellenbogen auf den Tisch und beugte sich ein
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