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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche
Autoren: Kaja Evert
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Rasmi. Der angstvolle Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    Es machte Adeen stutzig: Gewöhnlich gab sich Rasmi als sein Beschützer, den nichts aus der Ruhe brachte – auch wenn er ihn schon lange nicht mehr beschützen konnte –, aber nun sprach er mit diesem Mann im Umhang wie mit einem Höhergestellten, dessen Willkür er ausgeliefert war. Was um alles in der Welt ging hier vor?
    »Kannst du ihm trauen, habe ich gefragt.«
    »Ja«, erwiderte Rasmi leise. »Er ist mein Ziehsohn.«
    »Ist er gesund? Er sieht etwas angeschlagen aus.«
    Die Worte schwirrten über Adeens Kopf hinweg. »Redet nicht über mich, als wäre ich nicht hier! Ich möchte wissen, was das alles zu bedeuten hat.«
    Der Fremde sah sich aufmerksam in Rasmis Zimmer um, betrachtete die verhüllten Bilder, dann Adeen. Als er sich ihm zuwandte, war sein Blick durchdringend.
    »Wir haben nur wenig Zeit. In zwei Tagen will der Herrscher einen Teil unserer Vergangenheit öffentlich in Flammen aufgehen lassen. Kunstwerke. Meine Freunde und ich wollen sie retten, ehe es zu spät ist.«
    Adeens Herz setzte einen Schlag aus und begann dann zu hämmern. Rebellen! In den Gassen der Arbeiterquartiere flüsterten sich die Leute gegenseitig Gerüchte über diese verwegenen Kämpfer gegen die Willkür des Herrschers zu. Nun begriff er, warum Rasmi darauf bestanden hatte, dass er möglichst schnell verschwand.
    Adeen versuchte, seine Gedanken zu sortieren. »Kunstwerke? Was meint Ihr damit?«
    »Rashija hat keine Zukunft, wenn wir zulassen, dass man unsere Vergangenheit zerstört. Diese Rettungsaktion war Rasmis Idee. Nun müssen wir sie vorziehen. Heute Nacht, ehe sie Maßnahmen ergreifen können.«
    »Ohne Ain schaffen wir es nicht«, sagte Rasmi. »Wir sind zu wenige.«
    »Ja, uns fehlt jemand, der ihren Platz einnimmt.« Der Blick des Mannes richtete sich auf Adeen.
    »Nein!«, rief Rasmi, ehe Adeen auch nur ein Wort herausbrachte. »Das kommt gar nicht in Frage!«
    »Rasmi, was geht hier vor? In was für einen Ärger bist du verwickelt?« Er spürte Wut in sich aufsteigen, Wut auf Rasmi, der ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte, Wut auf den Fremden, der über ihn verfügen wollte.
    Rasmi reckte mit einer Mischung aus Stolz und Trotz das Kinn. »Du hast es doch gehört: Wir retten die Kunstwerke von Rashija.« Fast sofort kehrte die Besorgnis in seine Miene zurück. »Aber das geht dich nichts an. Du musst alles vergessen, was du gehört hast, versprich es mir!«
    »Dafür setzt du also dein Leben aufs Spiel, ja? Und sagst mir, dass es mich nichts angeht?«
    »Ich bin ein alter Mann, den niemand vermissen würde«, sagte Rasmi hitzig, »wen kümmert meine Sicherheit? Du bist jung, Adeen. Du kannst einmal ein großer Künstler werden. Das Talent dazu hast du.« Er wandte sich an den Fremden. »Ich werde nicht zulassen, dass du ihn benutzt!«
    Einige Atemzüge lang hörte Adeen nur das leise Knistern der Flammen in der Feuerstelle und sein eignes Herzklopfen. Der Mann im Umhang trat vor das Feuer – er hinkte leicht, deswegen brauchte er wohl auch den Stock –, zog sich die Handschuhe aus und stopfte sie in die Hosentaschen, dann streckte er die Hände nach den Flammen aus, um sich zu wärmen. Der Feuerschein warf tiefe Schatten auf sein Gesicht. Auch er wirkte aufgewühlt. »Wenn wir keinen Ersatz für Ain finden«, fuhr er schließlich mit ruhiger Stimme fort, »geben wir diesen Teil unserer Vergangenheit auf.« Voller Zynismus fügte er hinzu: »Wir lassen seit fünfzig Jahren zu, dass man uns alles raubt, was wir sind, Stück für Stück – ja, du hast recht, was für einen Unterschied bedeutet da ein Verlust mehr oder weniger?«
    »Hör auf damit!«, sagte Rasmi. »Das ist nicht gerecht. Ich habe mich damals freiwillig bereit erklärt, euch zu helfen. Aber Adeen …«
    »Er scheint mir alt genug, um selbst zu entscheiden, was er tun will.«
    Adeens verletztes Gesicht und seine Rippen pochten. Dieser Mann wirkte so furchtlos, und unfassbar: Rasmi hatte ihn unterstützt. Adeen erinnerte sich nur allzu deutlich an seine Angst, als Charral vorhin mit dem Dolch vor ihm gestanden hatte, und fragte sich, woher irgendjemand diesen Mut nahm.
    »Ihr verlangt zu viel von mir«, sagte er zu dem Fremden, »ich kann das nicht.« Er wusste nicht, ob er es aus Angst sagte oder Rasmi zuliebe.
    »Du bist eine Krähe.« Vor dem eindringlichen Blick des Mannes wich Adeen einen Schritt zurück.
    »Das ist wohl kaum zu übersehen.«
    »Von allen Menschen in
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