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Flucht in die rote Welt

Flucht in die rote Welt

Titel: Flucht in die rote Welt
Autoren: John D. MacDonald
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»All die Jahre der Hingabe!«
    »Und dann – keinen Penny.« Joseph war sehr ernst.
    Es war jetzt so hell, daß Kirbys Augen schmerzten. Er gähnte. Als er die Augen wieder öffnete, standen Joseph und Charla. Joseph ging zum Barkeeper, und Charla nahm Kirby an der Schulter. »Komm, Liebes. Du bist ganz fertig.«
    Er ging mit ihr durch die große Glastür in ein fremdes Foyer, ohne auch nur eine Frage zu stellen. Als sie noch ein paar Meter von den Lifts entfernt waren, blieb er stehen. Sie sah fragend zu ihm auf. Ihr Gesicht war so makellos – die Augen groß und graugrün, die Lippen feucht schimmernd und halb geöffnet, die Pfirsichhaut einen Ton dunkler als das Haar – daß er ganz vergaß, was er hatte sagen wollen.
    »Liebling?« fragte sie.
    »Ich bleibe doch nicht hier, oder?«
    »Joseph fand, daß es besser so sei.«
    »Wo ist er?«
    »Wir haben uns von ihm verabschiedet, Kirby.«
    »Tatsächlich?«
    »Komm jetzt, Liebes.«
    Der Aufzug kletterte durch ein köstliches, kuscheliges Schweigen. Kirby schwebte durch einen langen Korridor. Sie nahm einen Schlüssel aus einer glitzernden Abendtasche und ließ Kirby vorangehen. Sie schloß die Jalousien vor dem Morgenlicht und führte ihn in ein Schlafzimmer. Das Bett war gemacht. Ein neuer Schlafanzug und nagelneue Toilettenartikel lagen darauf.
    »Joseph denkt an alles«, sagte sie. »Früher einmal besaß er ein paar Hotels, aber als ihm das zu langweilig wurde, verkaufte er sie. Kirby, mein Liebes, du mußt eine heiße Dusche nehmen. Dann wirst du gut schlafen.«
    Als er zurückkam, in den neuen Schlafanzug gehüllt, wartete sie bereits auf ihn. Sie hatte einen goldfarbenen Morgenmantel aus einem sehr weichen Material übergestreift und ihr Haar gelöst. Ohne die hochhackigen Schuhe kam sie ihm sehr klein vor. Der Mantel war hauteng und enthüllte eine Figur, bei der den Fotografen gewisser Zeitschriften die Brillengläser angelaufen wären. Kirby sah nur noch Kurven. Er hatte das Gefühl, daß ihm jemand mit einem kleinen Gummihammer im schnellen Rhythmus auf den Kopf schlug. Aber man hatte seine Verpflichtungen. Einer Frau wie dieser, reif, zart, luxuriös und makellos, durfte man nicht wie ein tapsiger Liebhaber kommen. Gewappnet mit der Erinnerung an zahllose Cary-Grant-Filme schlenderte er auf sie zu, ein zärtliches, wissendes und angemessen voluptiöses Lächeln auf den Lippen.
    Aber er stieß mit den nackten Zehen gegen das grausam harte Bein eines kleinen Tischchens. Mit einem Schmerzgeheul taumelte er, aus dem Gleichgewicht gebracht, auf die Frau zu und umfing sie – mehr in der Absicht, sich vor dem Fall zu schützen als sich ihr zu nähern. Der stürmische Angriff erschreckte sie, und sie sprang zur Seite. Eine seiner wild rudernden Hände erwischte den Goldstoff, der nach einigem Widerstreben krachend nachgab und in seiner Hand blieb. Kirby sah noch, wie Charla stolperte, sich ins Bett sinken ließ und in den Kissen verschwand.
    Er setzte sich auf, warf den Goldstoff zur Seite, packte seinen verletzten Fuß mit beiden Händen und stöhnte leise vor sich hin.
    Ihr Wuschelkopf erschien über dem Kissenberg. Sie sah ihn mit großen Augen an. »Liebling!« sagte sie. »Du bist so impulsiv.«
    Er starrte sie mit schmerzverzerrter Miene an. »Sei bitte still! Das passiert mir nun seit meiner frühen Jugend jedesmal von neuem. Ich kann auf deine Witze wirklich verzichten.«
    »Du machst das immer so?«
    »Ich mache immer irgend etwas. Gewöhnlich renne ich einfach davon. Im Sommer 58 begleitete ich eine schöne Frau zu ihrer Suite im siebten Stock des Continental Hilton in Mexiko City. Drei Minuten, nachdem ich die Tür hinter uns geschlossen hatte, brach ein Erdbeben los. Der Verputz rieselte von der Deckt. Das Hotel bekam einen Riß. Wir mußten uns in der Dunkelheit nach unten tasten – und die Treppe war übersät mit Scherben. Also, sei bitte still, Charla.«
    »Wirf mir meinen Mantel zu, Liebes.«
    Er ballte ihn zusammen und warf. Dann humpelte er zum Bett und setzte sich. Sie setzte sich neben ihn. Der Mantel hüllte sie ein.
    »Armer Kirby«, sagte sie.
    »Natürlich.«
    Sie tätschelte seinen Arm und begann zu kichern. »Ich wurde bisher noch nie im Leben so rasch ausgezogen.«
    »Sehr witzig.«
    Sie stupste sein Kinn an und drehte seinen Kopf so herum, daß er ihr in die Augen sehen mußte. Einen Moment lang wirkte sie sehr traurig. »Du bist eine echte Versuchung für mich, Liebes. Weil du so süß und goldig bist. Die wenigsten Männer
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