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Flucht in die rote Welt

Flucht in die rote Welt

Titel: Flucht in die rote Welt
Autoren: John D. MacDonald
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stieß gegen sie, und unter dem plötzlichen Einfluß von Öl, Parfum und Körperwärme ließ er sich die Flasche auf den Fuß fallen. Er stolperte zurück, hielt sich an ihrer Schulter fest und riß sie mit sich über einen Fußschemel. Sie sagte etwas in einer Sprache, die er nicht verstand. Irgendwie war er froh, daß er sie nicht verstand.
    Sie rappelte sich hoch und hob die unzerbrochene Flasche wieder auf. »Wenn du das Herumhampeln aufhören könntest, wäre ich dir für ein Glas Champagner sehr dankbar.«
    »Es tut mir leid.«
    »Ein Glück, daß du mit deinen neckischen Scherzen gewartet hast, bis wir vom Balkon weg waren.«
    »Charla, ich bin doch nur ...«
    »Ich weiß, Liebling.« Sie ließ den Pfropfen knallen. Der Champagner schäumte in die Gläser. Sie stellte die Flasche ab, nahm ein Glas, nippte daran und betrachtete Kirby nachdenklich. »Bei dir werde ich bald Krücken brauchen. So, gib mir noch ein Glas und warte dann, bis ich das Öl abgewaschen habe. Traust du es dir zu, mir den Rücken abzuseifen?«
    »Gah.«
    »Nein, riskieren wir es lieber nicht. Paß auf, Kirby. Dir tropft Champagner vom Kinn. Warte nebenan auf mich.«
    Er trug die Flasche und das Glas in das große Wohnzimmer. Seine Knie waren weich wie Watte. Er setzte sich vorsichtig, trank sein Glas leer und schenkte sich noch eines ein. Wo er auch hinsah, immer hatte er Charlas Bild vor Augen – verkleinert, in strahlendem Kodachrome, die glatte Haut, die schweren, rosigen Brüste und dahinter der tropenblaue Morgenhimmel.
    Wenn er heftig den Kopf schüttelte, verwischte sich das aufdringliche Bild. Er schüttelte ihn heftig und immer heftiger. Schließlich purzelte es hinunter in seinen wirren Gedächtniskram. Dort lag es nun obenauf, jederzeit greifbar.
    Er hörte, wie das Wasser abgedreht wurde, und als er sich vorstellte, wie sie in die Fluten stieg, stöhnte er. Danke, Onkel Omar, vielen Dank. Danke, daß du einem hilflosen Jungen eine so gründliche Abscheu vor dem weiblichen Geschlecht eingetrichtert hast, daß er in seinem zweiunddreißigsten Lebensjahr keiner halbnackten Frau gegenübertreten kann, ohne Fußkrämpfe zu bekommen und »Gah!« zu sagen.
    Aber er hatte den schwachen Verdacht, daß auch erfahrenere Männer bei Charlas Reizen weiche Knie bekommen hätten.
    Er wußte sehr wohl über seinen Komplex Bescheid. Die Suche nach sexueller Selbstbetätigung wurde allmählich zur Zwangsvorstellung. In dieser Welt, die Hugh Hefner gemacht hatte, schien er der einzige zu sein, der immer leer ausging. Und es war von seiner Seite her betrachtet weniger Sexhunger als gekränkter Stolz.
    Frauen fanden ihn einigermaßen nett. Und er konnte sich mit ihnen unterhalten und mit ihnen flirten, ohne zu verraten, daß ihm eine entscheidende Lebenserfahrung fehlte. Aber da war seine verdammte Schüchternheit. Wie sollte er es beginnen? Bei Situationen, wo es eine Menge lediger Damen gab, half er sich meist mit einem Trick. Er erweckte bei jeder seiner Anbeterinnen den Anschein, sehr intim mit einer der anderen Anwesenden zu sein.
    Aber selbst wenn er es einmal schaffte, seine Schüchternheit zu überwinden und zum Angriff vorzugehen, scheiterte das Unternehmen hoffnungslos. Er war kein geborener Clown, aber er hatte schon zu viele Niederlagen eingesteckt und war dadurch nervös geworden.
    Manchmal spielte ihm die Natur einen Streich. So wie damals bei dem Erdbeben. Fast hätte er glauben können, verhext zu sein.
    Manchmal, wie letztes Jahr in Rom mit Andrea, sah es wie Zufall aus. Er hatte sie aus einer grölenden Menge gerettet, die sie mit Elisabeth Taylor verwechselt hatte. Sie hatten sich anschließend glänzend unterhalten. Sie wohnten im gleichen Hotel, im gleichen Stockwerk. Sie war allein und versuchte sich von einer fürchterlichen Ehe und einer widerlichen Scheidung zu erholen. Es verstand sich, daß er die paar Schritte zu ihrem Zimmer gehen und an ihre Tür klopfen würde – und daß sie öffnen würde.
    Die Aussicht erschreckte ihn. Er hatte sich zu glatt und weltmännisch gegeben. Wahrscheinlich erwartete sie Erfahrung und kontinentalen Charme. Und das war viel verlangt – von einem Mann, der seine erste und einzige Affäre vor zwölf Jahren gehabt hatte und nur mit Schamröte daran zurückdachte, wie sehr er das pockennarbige kleine Mädchen damals enttäuscht hatte.
    Obwohl er nur diese eine Erfahrung hatte – angesichts einer Frau, die man für die Liz halten konnte –, beschloß er, diesmal nicht aufzugeben. Nach
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