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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung
Autoren: Tina Rothkamm
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bösen
Mädchen, die in den Himmel kommen, und bewies mir, dass die Autorin irrte. Im
Garten zündete er einen Scheiterhaufen an und verbrannte zwei Hexen: eine
Emanze und eine Jüdin. Das schlimmste Feuer aber loderte in seinem feindseligen
Blick. Ich erkannte ihn kaum wieder.
    Etwas in mir erstarrte. Das durfte nicht sein, wir durften nicht
scheitern, nicht er und ich! Ich beschloss, in Zukunft etwas vorsichtiger zu
sein in der Auswahl meiner Lektüre beziehungsweise in meinen Erzählungen
darüber, denn Farid verstand ja kein Deutsch. Wenn ich nicht so dumm gewesen
wäre, ihm von den bösen Mädchen zu erzählen, wäre er gar nicht auf die Idee
gekommen, das Buch könnte mich in irgendeiner Form aufstacheln. Das hatte es ja
auch nicht getan, ich hatte nur darüber sprechen wollen. Aber ich hatte es
vermutlich denkbar ungeschickt angestellt. Wo waren meine Empathie und mein
diplomatisches Geschick geblieben, die mich im Job so auszeichneten? Ich musste
einfühlsamer vorgehen und durfte bei aller Liberalität seinerseits nicht
vergessen, dass Farid in einer völlig anderen Kultur aufgewachsen war als ich.
Ich musste ihm Zeit geben und rücksichtsvoller auf seine Ansprüche eingehen.
Schließlich war ich Gast in diesem Land. Ich durfte ihn nicht mehr in eine
solche Situation bringen, wollte nicht, dass er sich so sehr über mein Benehmen
aufregte. Die Geschiche mit dem Feuer tat ihm im Nachhinein bestimmt leid, auch
wenn er es sich nicht anmerken ließ. Das war einfach nur ein Ausrutscher, eine
einmalige Entgleisung. Farid hatte es schließlich nicht leicht; er musste von
meinem Geld leben, und das war für einen tunesischen Mann eine Zumutung. Am
besten, ich sah mich vor und mied die Erinnerung an das, was geschehen war.

DIE SALATFALLE
    Wir waren über ein Jahr zusammen, als Farid mich seiner
Familie vorstellte. Ich war wahnsinnig aufgeregt und hatte auch Angst vor dem
Treffen, denn sicher wurde etwas Bestimmtes von mir erwartet, was ich aber
nicht einschätzen konnte, sonst hätte Farid mich doch schon längst einmal
mitgenommen. Wo wir doch nur eine halbe Stunde entfernt voneinander lebten!
    Ich schminkte mich nicht und wählte meine Garderobe mit Bedacht:
Arme und Beine bedeckt, eine Art Tunika darüber.
    Tunesier sind ein stolzes Volk, und wer es sich nur irgendwie
leisten kann, achtet auf seine Kleidung. Immer wieder staunte ich, woher die
Männer in den blütenweißen Hemden kamen, die einem mitten in der Wüste
begegneten. Aus dem Nichts tauchten sie auf wie in einem Werbefilm. Kilometerweit
nur Wüste und plötzlich ein Mann in strahlend weißem Hemd. War der mit einem
Ufo gelandet? Nein, das war ein stolzer Tunesier, und er steckte in
blitzblanken Schuhen. Egal, wie schmutzig der Sand auch sein mochte. Wie machten
die das? Es ist mir bis heute ein Rätsel.
    Farids Familie wohnte in einem einfachen Haus mit Innenhof. Küche
und Toilette waren sehr klein, und Letztere lud dazu ein, sich den Kopf anzustoßen,
was mir häufig passierte. Farids Vater hatte es weit gebracht als Vorarbeiter
auf dem Bau, und darauf war er stolz. Acht Kinder hatte er ernährt, alle waren
gesund und hatten eine gute Ausbildung genossen. Auf Farid, dem angehenden
Arzt, ruhten viele Hoffnungen und Träume. Seine Familie war stolz auf ihn – ein
Arzt steht hoch in der tunesischen Hierarchie. Die Frau, die eines solchen
Mannes würdig ist, muss eine ganz besondere sein. Ich gab mein Bestes, um zu
signalisieren, dass ich mich in die Familie einfügen würde, lächelte und
schwieg und schlug die Augen nieder, wenn ich glaubte, dass es angebracht wäre.
    Farids Mutter beobachtete mich nicht nur mit Argusaugen, sie
durchbohrte mich förmlich mit ihren Blicken, als wollte sie in mich
hineinkriechen: Wer bist du, blonde Frau mit den grünen Augen, dass du meinen
Sohn verdient hättest? Hast du dich geprüft? Glaubst du wirklich, du bist ihn
wert?
    Ich wollte mich nützlich machen und half bei den Vorbereitungen zum
Mittagessen in der kleinen Küche. Niemand sagte mir, was ich tun sollte, also
wusch ich den Salat und bereitete ihn zu. Keiner rührte ihn an. Wie ein
Fremdkörper stand er auf dem Tisch. Nur ich nahm davon. Glaubten sie, ich würde
sie anstecken, und wenn ja, womit? Oder gar vergiften?
    Später tadelte Farid mich, weil ich die Salatblätter gezupft statt
geschnitten hatte. In Tunesien wird Salat in winzige Vierecke geschnitten. In
Deutschland hätte Farid mir das sagen können. In Deutschland hätte er am Tisch
neben mir
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