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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung
Autoren: Tina Rothkamm
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dich nicht verdächtigt! Das würde ich nie tun!
Bitte! Ich habe doch nur laut gedacht und mich gewundert, dass das Geld weg
ist. Farid, bitte! Bleib stehen!«
    Wie eine Bettlerin lief ich hinter ihm her. Er drehte sich nicht
einmal um. Irgendwann gab ich auf und ging zurück zu meinem Auto. Ich war
fassungslos.
    An der Pier standen zwei Anhalter. Die kamen mir gerade recht, denn
allein wollte ich jetzt bestimmt nicht sein. Die beiden deutschen Jungs nahmen
auf der Rückbank Platz. Ich fuhr an.
    Da sagte einer der Anhalter: »Du scheinst ja in Geld zu schwimmen.«
    »Bitte?«
    Grinsend reichte er mir ein Bündel Geldscheine nach vorne. »Wenn du
den Zaster schon auf der Fußmatte im Auto liegen hast, wie muss es dann erst
bei dir zu Hause aussehen?«, feixte sein Kumpel.
    Die Scheine waren mir aus der Tasche gefallen! Ich bedankte mich bei
den ehrlichen Findern, fuhr sie zu ihrem Hotel und wendete dann, um Farid zu
suchen. Er war wie vom Erdboden verschluckt.
    Ich suchte ihn die ganze Nacht, klapperte alle Cafés, Bars, Diskotheken
und Restaurants ab. Weit nach Mitternacht entdeckte ich ihn mit einem Bekannten
in einem Café. Ich setzte mich an einen Tisch in seiner Nähe und suchte
Blickkontakt, damit ich ihm von dem gefundenen Geld erzählen konnte. Er starrte
durch mich hindurch. Ich existierte nicht für ihn.
    Irgendwann fuhr ich nach Hause. Ich war todunglücklich. Streit und
Missverständnisse, das ertrug ich nicht, nicht mit ihm. Ich spürte, wie
Verlassenheit in mir hochkroch. Ich fror.
    Er kam erst im Morgengrauen. Beim Frühstück fand ich die zerrissenen
Eintrittskarten für das Cheb-Mami-Konzert, das an diesem Abend stattfinden
würde. Wir hatten uns beide so sehr darauf gefreut.
    Es dauerte Tage, in denen ich mit Engelszungen auf ihn einredete,
bis er mir endlich verzieh. Bei all den Entschuldigungstiraden vergaß ich
völlig, dass es gar nichts gab, wofür ich mich hätte entschuldigen müssen, denn
das, was er mir vorwarf, war nicht geschehen. Ich hatte ihn nicht verdächtigt,
sondern nur fragen wollen. Doch es war zwecklos, ihn darauf anzusprechen, zu
groß war sein Stolz.
    Ich wollte nicht mehr an dieses Missverständnis zurückdenken. Ich
hielt es nicht aus, wenn zwischen uns schlechte Stimmung herrschte, und war dankbar,
als wir wieder zu unserem Alltag zurückkehrten, ausgingen und feierten und
tanzten. Meine Sehnsucht nach Harmonie war meine Archillesferse, und ich ahnte
nicht, wie sehr ich noch straucheln würde. Anfangs hatte ich Konflikte
gemieden, weil die Tage, die wir gemeinsam verbringen konnten, so rar waren.
Immer wartete schon der Abschied, was sollte ich mir da die Zeit mit
Streitgesprächen vergällen. Jetzt legten wir das Fundament für eine gemeinsame
Zukunft, und ich hätte wachsamer sein sollen, statt unsere Diskrepanzen
zuzudecken. Doch ich fürchtete mich vor Diskussionen mit Farid. Fürchtete,
etwas könne unsere Liebe zerstören. Sie war doch alles, was ich hatte, seit ich
mit meinem Auto meiner Zukunft in Deutschland davongefahren war. Vielleicht ist
es falsch, den Menschen, den man liebt, zum Angelpunkt seiner selbst zu machen.
Ich müsste diese Stärke in mir selbst finden, überlegte ich. Doch es war nur
ein vager Gedanke, und ich mied ihn, denn er zog weitere Gedanken nach sich von
Liebe und Verlust, und das konnte ich nicht ertragen.
    Bald darauf schenkte mir eine Kollegin ein Buch, das sie begeistert
verschlungen hatte. Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse
überall hin . In Deutschland stand es auf der Bestsellerliste. Mit großem
Vergnügen und zunehmender Nachdenklichkeit las ich die Theorien der Autorin.
Sie verblüffte mich oft, und ich wollte meine Gedanken mit Farid teilen. Ich
erzählte ihm von dem Buch und auch von einem anderen, das ich zur selben Zeit
las: eine Übersetzung des Koran.
    Ich suchte Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Koran und
Bibel, ich suchte nach den Rechten der Frauen. Hin und wieder stellte ich Farid
eine Frage zum Koran. Ich wollte verstehen. Doch Farid war nicht koranfest. Er
betete ja nicht, und er hielt nicht einmal den Ramadan ein, was er vor seiner
Familie verheimlichte, die nicht wissen durfte, dass ihr Sohn das Fasten nicht
so ernst nahm.
    Farid nahm mir die Koranübersetzung weg und beschimpfte mich. »Das
Buch ist von einer Jüdin übersetzt.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Das erkennt man doch am Namen! Ich dulde nicht, dass du so was liest.«
    Bei dieser Gelegenheit beschlagnahmte er auch das Buch von den
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