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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung
Autoren: Tina Rothkamm
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im Süden leben! Und wer weiß – vielleicht
machst du dich ja eines Tages in Tunesien als Coach selbstständig. Dort gibt es
auch Manager mit Burn-out!«
    »Ja, vielleicht«, rief ich überschwänglich. Alles schien auf einmal
möglich.
    Es gab so viel zu planen, dass ich mich kurzfristig entschied,
für fünf Tage nach Tunesien zu fliegen, um mich mit Farid zu besprechen. Doch
er schloss mich in die Arme und sagte nur: »Das machst du schon, Tina.« Und dann wollte er mit mir feiern und ausgehen. Zuerst
irritierte mich das, dann schrieb ich meine Besorgnis in den Wind. Was sollten
wir lange überlegen, wie es vielleicht werden würde. Wir würden es einfach tun.

COUSCOUS AUF DEM WASSER
    Im März 2001 begann meine Ausbildung zur Reiseleiterin auf
Mallorca. Ich genoss diese Zeit, umgeben von netten und interessanten Menschen,
die ein gemeinsames Ziel hatten, und bereute meine Entscheidung nicht im
Geringsten. Nach bestandenen Kursen lud ich meinen blauen Kangoo in Düsseldorf
bis unters Dach voll und machte mich auf in das große Abenteuer Tunesien, in
dem mein neues Leben beginnen würde. Wann immer ich anhielt, wurde ich
angesprochen.
    »Sie haben das Auto aber vollgeladen. Ziehen Sie um?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Und wohin, wenn man fragen darf?«
    »Nach Tunesien«, antwortete ich stolz und konnte es gar nicht oft
genug sagen.
    »Tunesien! So weit weg!«
    »Ja«, lachte ich. »In Genua nehme ich die Fähre.«
    »Da haben Sie noch eine ziemliche Strecke vor sich.«
    »Ach, das geht schon. Die Überfahrt dauert vierundzwanzig Stunden,
und dann muss ich noch weiter bis nach Sousse.«
    »Ist da nicht der Flughafen in der Nähe?«
    »Richtig.«
    »Da wären Sie mit dem Flieger aber schneller.«
    »Das stimmt. Aber meinen Hausstand könnte ich nicht mitnehmen.«
    »Also dann gute Fahrt, junge Frau.«
    »Danke. Für Sie auch!«
    Irgendwann bei einem dieser Gespräche an den Autobahnraststätten
begriff ich auf einmal, dass ich nun nicht mehr davon redete, sondern
mittendrin war in diesem Abenteuer. Ich, Tina Rothkamm, hatte alle Zelte in
Deutschland abgebrochen. Wo würde ich sie als Nächstes aufschlagen, wie würde
es weitergehen? Es kam mir so vor, als würde ich ein geradezu unerträglich
spannendes Buch lesen, das Buch meines eigenen Lebens … und das Umblättern
dauerte mir viel zu lang. Hätte ich damals gewusst, was auf mich zukommen
würde, hätte ich dann zurückgeblättert, es zugeschlagen und die Handlung neu
geschrieben? Wahrscheinlich – oder vielleicht auch nicht. Manche Menschen
müssen ihre Erfahrungen bitter und schmerzhaft sammeln, und offenbar gehörte
ich dazu.
    »Und was machen Sie in Tunesien, wenn man fragen darf? Sind Sie
vielleicht Deutschlehrerin?«
    »Nein!«, wehrte ich lachend ab. »Ich will
einfach da leben.«
    »Allein?«
    »Mit meinem Freund.«
    »Und er ist Tunesier? Das ist ja interessant.«
    »Das finde ich auch. Fremde Kulturen haben mich schon immer
fasziniert.«
    »Haben Sie keine Angst? Als blonde Frau in einem arabischen Land?«
    »Ich habe bisher kein einziges negatives Erlebnis gehabt. Alle waren
immer sehr nett zu mir.«
    »Obwohl Sie nicht verschleiert sind? Oder ziehen Sie so ein Tuch
über, wenn Sie das Land erreichen?«
    Ich musste lachen. Verschleiert würde ich Farid bestimmt ziemlich
exotisch vorkommen.
    »Aber nein!«, antwortete ich. »In Tunesien
laufen viele Frauen unverschleiert herum. Es ist ihre Entscheidung. Und es wird
nicht gern gesehen, wenn Frauen an der Universität ein Kopftuch tragen.«
    »Ach, tatsächlich? Dann sind die ja strenger als wir! Was es nicht
alles gibt!«
    »Ja. Und wie wenig man weiß«, vollendete ich.
    »Dann wünsche ich Ihnen eine gute Fahrt. Und viel Glück!«
    »Danke! Ihnen auch!«
    Viel Glück, viel Glück, viel Glück! Das bekam ich an allen Ecken
und Enden zu hören, und mein Auto fuhr immer schneller mit einer Leichtigkeit,
die mir Flügel verlieh.
    In der Schlange vor der Fähre wurde ich plötzlich nervös. Wieso
dauerte das so lange? Ich konnte es kaum erwarten, bis das Riesenschiff mit dem
Bauch voller Autos endlich ablegte.
    Überall vibrierte frühlingshafte Vorfreude. Die Touristen scharrten
förmlich mit den Hufen, und auch die Biker mit ihren wüstentauglichen Motorrädern
und die Wüstenfahrer in ihren Jeeps konnten es kaum erwarten, dass das
Abenteuer begann. Es roch geradezu nach Aufbruch.
    In der Nacht saß ich lange an Deck und schaute in den gigantischen
Sternenhimmel. Gern hätte ich das Wasser
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