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Flucht im Mondlicht

Flucht im Mondlicht

Titel: Flucht im Mondlicht
Autoren: N. H. Senzai
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Fadi.
    »Wir werden euch eine Lektion erteilen«, erwiderte Said.
    Fadi trat vor. »Ihr habt meinen Fotoapparat kaputt gemacht«, fauchte er. Der Hass in seiner Stimme überraschte ihn, aber es tat gut, seiner Wut Luft zu machen. »Er war ein Geschenk meines Vaters. Ihr hattet kein Recht, über mich herzufallen und euch an meinen Sachen zu ver­greifen …«
    »Und ich bin kein Turbankopf!«, unterbrach ihn Carlos. »Schaut wenigstens genauer hin, bevor ihr Leute so dumm anmacht. Ich bin Mexikaner und stolz darauf. Aber ihr seid nur zwei blöde Schläger. Wer hört schon auf euer Geschwätz?«
    »Ja, Mann«, rief Jon mit zornfunkelnden Augen. »Wer hört schon auf euch? Ike ist nur Abschaum, der so tut, als wäre er etwas Besseres.«
    Ein anderer Junge, den Fadi nicht kannte, trat vor. Er sah aus wie eines der neuen samoanischen Kinder. »Du hast vielleicht reiche Eltern mit einer tollen Ausbildung«, sagte er, auf Felix deutend, »aber du selbst bist bloß ein Versager, der kaum lesen kann.«
    Als die anderen Jungen in Gelächter ausbrachen, lachte Fadi übermütig mit. Es war ein erhebendes Gefühl, überlegen zu sein und das Sagen zu haben.
    »Wag es nicht, mich noch mal so zu nennen!«, fauchte Felix. Er ballte die Fäuste und machte einen Schritt nach vorn.
    »Versager!«, wiederholte der samoanische Junge.
    »Versager, Versager, Versager«, riefen die Jungen im Chor.
    Felix lief puterrot an. Er wich langsam zu Ike zurück. Beiden stand die Angst ins Gesicht geschrieben. Nun bekommen sie es mit gleicher Münze zurück , dachte Fadi schadenfroh.
    »Los, verpassen wir ihnen eine Tracht Prügel«, rief Said. Er klang forsch, wirkte jedoch ein bisschen unsicher.
    Fadi war auch unschlüssig. Den beiden zu drohen und Angst einzujagen, war etwas anderes, als sie tatsächlich zu verprügeln.
    »Au ja«, sagte Masud und hüpfte von einem Bein aufs andere. »Das machen wir.«
    Die Jungen näherten sich dem Baum.
    »Na los, ihr zwei«, krähte Ravi. »Versucht mich zu treffen.« Er tänzelte vor Ike und Felix herum und forderte sie dazu heraus, ihn zu schlagen.
    Als Ravi sich wegduckte, trat Jon vor. Stirnrunzelnd bemerkte Fadi, dass er hinter seinem Rücken mit etwas herumhantierte.
    »Nein, Jon!«, schrie er entsetzt. Der schmächtige Junge hielt einen dicken abgebrochenen Ast in der Hand.
    Als er den spitzen schweren Ast vor dem angstverzerrten Gesicht von Felix herumschwenkte, packte Masud ihn am Arm.
    »He, ich will ihm doch nur Angst machen!«, murrte Jon.
    »Nein, Jon«, sagte der etwas ältere Masud und entriss ihm den Ast.
    Fadis Hochgefühl erlosch wie Glut, die mit kaltem Wasser übergossen wird. Er blickte von der Jungen-­Clique zu dem Baum zurück, vor dem Ike und Felix verängstigt am Boden kauerten. All seine Rachegedanken verflogen. Sie zu verprügeln, ist keine Lösung. Das bringt mir meinen Fotoapparat nicht zurück . »Die Sache läuft aus dem Ruder«, sagte er. Alle Augen richteten sich auf ihn.
    Die meisten Jungen nickten, doch Jon und Said schüttelten die Köpfe.
    »Wir können sie nicht verprügeln. Dann wären wir nicht besser als sie.«
    »Aber sie waren jahrelang gemein zu uns!«, maulte Said.
    »Ja, das ist die Rache«, murrte Jon.
    »Nein.« Masud seufzte. »Sie zu verprügeln, ist keine Lösung.«
    Fadi blickte von einem Jungen zum anderen. Sie nickten zustimmend.
    Der samoanische Junge runzelte die Stirn. »Stimmt schon«, murmelte er schließlich.
    Fadi wandte sich an Ike und Felix. »Merkt euch das. Wenn ihr noch einmal versucht, in der Schule irgendwen zu drangsalieren, bekommt ihr es mit uns zu tun. Also überlegt euch in Zukunft gut, was ihr macht.«
    Felix und Ike nickten hastig und sahen sich hektisch nach einem Fluchtweg um.
    »Jungs«, rief Fadi, »warum kühlen wir die beiden nicht ein bisschen ab, damit sie sich an unsere kleine Unterhaltung erinnern?«
    Masud grinste. Er und die anderen Jungen packten Ike und Felix und warfen sie in den See.

Geständnisse
    Eines Samstagmorgens liefen die Mitglieder des Fotoklubs mit Miss Bethune zur Haltestelle der Schnellbahn nach San Francisco. Alle waren dabei, außer Ravi, dessen Mutter die Stadt zu gefährlich fand. Fadi war in einen Wollmantel aus dem Secondhand-Laden und Handschuhe eingepackt. Er lockerte seinen kratzigen Schal, denn inzwischen fühlte er sich wie ein Hummer, der langsam gekocht wird. Miss Bethune hatte ihnen geraten, mehrere Schichten Kleidung anzuziehen, da es im Gebiet um die Bucht von San Francisco unterschiedliche
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