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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman
Autoren: Patricia Cornwell
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schöpfte, als ich die Tür bereits geöffnet hatte.
    »Wenn sie ihn bloß nicht hereingebeten hätte«, murmelte ich. Mein Brieföffner war verschwunden. Wo, zum Teufel, versteckte er sich schon wieder?
    »Warum sollte sie denn nicht?«, erwiderte Marino. »Frankie tat ganz offiziell, lächelte und trug sein Omega-Uniformhemd und die Mütze. Er hielt ihre Tasche in der Hand, was bedeutete, dass er auch ihr Manuskript bei sich hatte. Sie war erleichtert. Sie war dankbar. Sie öffnete die Tür, schaltete die Alarmanlage aus und bat ihn herein.«
    »Aber warum hat sie die Alarmanlage dann wieder eingeschaltet, Marino? Ich habe auch eine Alarmanlage. Und manchmal bekomme ich auch etwas angeliefert. Sollte meine Alarmanlage an sein, wenn die Paketpost vor dem Haus vorfährt, dann schalte ich sie aus und öffne die Tür. Wenn ich der Person genügend vertraue, um sie hereinzulassen, dann schalte ich doch bestimmt nicht die Anlage wieder ein, nur um sie eine Minute später wieder ausschalten und von neuem aktivieren zu müssen, wenn die Person wieder geht.«
    »Haben Sie schon jemals Ihre Schlüssel in Ihrem Auto eingesperrt?« Marino sah mich nachdenklich an.
    »Was hat das denn damit zu tun?«
    »Beantworten Sie einfach meine Frage.«
    »Natürlich habe ich das.« Endlich fand ich den Brieföffner. Er lag auf meinem Schoß.
    »Und wie ist das passiert? In modernen Autos gibt es jede Menge Sicherungsvorrichtungen, die so etwas verhindern sollen, Doc.«
    »Stimmt. Und ich kenne sie alle in- und auswendig, so dass ich sie, ohne nachzudenken, umgehe, und dann sind auf einmal alle Türen zu, und meine Schlüssel baumeln am Zündschloss.«
    »Und ich glaube, dass Beryl genau das Gleiche tat«, fuhr Marino fort. »Ich glaube, dass sie von der verdammten Alarmanlage, die sie installieren ließ, nachdem sie die ersten Drohungen erhalten hatte, ganz besessen war. Ich glaube, dass sie sie die ganze Zeit eingeschaltet hatte, dass es ihr schon in Fleisch und Blut übergegangen war, jedes Mal, wenn sie die Eingangstür schloss, sofort auf die Knöpfe zu drücken.« Er zögerte und starrte auf mein Bücherregal. »Ist schon merkwürdig. Sie vergisst zwar ihre Waffe in der Küche, aber sie schaltet automatisch den Alarm ein, nachdem sie den Penner ins Haus gelassen hat. Das zeigt, was für verrückte Überlegungen sie bereits zu diesem Zeitpunkt anstellte und wie die ganze Geschichte sie schon nervlich fertiggemacht haben musste.«
    Ich schob einen Stapel mit toxikologischen Befunden zusammen, legte ihn auf einen Haufen Totenscheine und räumte alles aus dem Weg. Als ich den Turm von Kassetten aus dem Diktiergerät neben meinem Mikroskop sah, war ich sofort wieder deprimiert.
    »Gütiger Gott«, beschwerte sich schließlich Marino, »können Sie nicht wenigstens so lange stillsitzen, bis ich wieder gegangen bin? Sie machen mich noch ganz verrückt.«
    »Heute ist mein erster Arbeitstag«, erinnerte ich ihn. »Ich kann nicht anders. Schauen Sie sich diesen Verhau an.« Ich fuhr mit derHand über den Tisch. »Man könnte meinen, ich wäre ein ganzes Jahr lang weg gewesen. Ich werde mindestens einen Monat brauchen, bis ich wieder auf dem laufenden bin.«
    »Ich gebe Ihnen Zeit bis acht Uhr heute Abend. Dann wird alles wieder ganz normal sein, so wie es immer war.«
    »Na, vielen Dank«, sagte ich ziemlich spitz.
    »Sie haben doch gute Mitarbeiter, die wissen, wie die Dinge weiterlaufen müssen, solange Sie nicht da sind. Was ist denn so schlecht daran?«
    »Gar nichts.« Ich zündete eine Zigarette an und schob auf der Suche nach einem Aschenbecher noch mehr Papier zur Seite. Marino nahm ihn vom Rand des Tisches und stellte ihn in meine Nähe.
    »Hey, ich wollte damit nicht sagen, dass Sie hier nicht gebraucht werden«, meinte er.
    »Niemand ist unersetzlich.«
    »Ja, das stimmt. Ich weiß, dass Sie das gedacht haben.«
    »Ich habe überhaupt nichts gedacht. Ich bin heute ganz einfach zerstreut«, entgegnete ich, griff in das Regal zu meiner linken und holte meinen Terminkalender heraus. Rose hatte alle Termine bis zum Ende der nächsten Woche gestrichen. Und danach war Weihnachten. Ich fühlte mich den Tränen nahe und wusste nicht, warum.
    Marino beugte sich vor, um seine Asche abzustreifen, und fragte ruhig: »Wie ist denn Beryls Buch, Doc?«
    »Es wird Ihnen das Herz brechen und Sie zugleich mit Freude erfüllen«, sagte ich, und die Tränen schossen mir in die Augen. »Es ist einfach unglaublich gut.«
    »Ja, nun, dann hoffe ich, dass
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