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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman
Autoren: Patricia Cornwell
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bedrückenden Berg von Papieren auf meinem Schreibtisch ansah, »ist Frankie im Oktober letzten Jahres nach Richmond gekommen. Wenigstens hatte er seit dieser Zeit eine Absteige in der Redd Street gemietet. Ein paar Wochen später fand er dann diesen Job, bei dem er verlorene Gepäckstücke ausfahren musste. Der Omega-Kurierdienst steht beim Flughafen unter Vertrag.«
    Ich sagte nichts, und mein Brieföffner schlitzte eine weitere Postsendung auf, die bloß dazu bestimmt war, im Papierkorb zu landen.
    »Die Kerle, die für Omega arbeiten, fahren mit ihren eigenen Autos. Und das wurde für Frankie im vergangenen Januar zu einem Problem. Bei seinem 81er Mercury Lynx gab die Kupplung ihren Geist auf, und er hatte nicht genug Kohle, um sie reparieren zu lassen. Ohne Auto kein Job. Also bat er, wie ich glaube, Al Hunt, ihm einen Gefallen zu tun.«
    »Hatten die beiden schon davor Kontakt miteinander gehabt?«, fragte ich, wobei ich mich ausgebrannt und unkonzentriert fühlte, und ich war mir sicher, dass ich auch so klang.
    »Aber klar doch«, antwortete Marino. »Ich habe daran keinen Zweifel und Benton auch nicht.«
    »Worauf stützen sich Ihre Vermutungen?«
    »Zunächst mal«, erwiderte er, »wissen wir, dass Frankie vor eineinhalb Jahren in Butler, Pennsylvania, gewohnt hat. Wir haben die Telefonrechnungen von Daddy Hunt über die letzten fünf Jahre durchgesehen. Er hebt jeden Mist auf, für den Fall einer Steuerprüfung. Es erwies sich, dass während der Zeit, in der Frankie in Pennsylvania war, die Hunts fünf R-Gespräche aus Butler bekommen hatten. Im vorangegangenen Jahr waren es R-Gespräche aus Dover in Delaware gewesen, und im Jahr davor waren ein halbes Dutzend aus Hagerstown in Maryland gekommen.«
    »Waren das Anrufe von Frankie?«, fragte ich.
    »Das überprüfen wir gerade. Aber ich habe den starken Verdacht, dass Frankie Al Hunt von Zeit zu Zeit anrief. Vielleicht erzählte er ihm, was er mit seiner Mutter gemacht hatte. Daher wusste Al auch all das, was er Ihnen später erzählte. Zum Teufel, er war kein Gedankenleser. Er gab nur das wieder, was er aus den Gesprächen mit seinem irren Kumpel erfahren hatte. Frankie wurde immer verrückter, je näher sein Wohnsitz an Richmond heranrückte, so sieht es jedenfalls aus. Und dann – rums! Vor einem Jahr kommt er in unsere schöne Stadt, und der Rest ist uns bekannt.«
    »Was ist mit Hunts Autowaschanlage?«, fragte ich. »War Frankie regelmäßig dort?«
    »Ein paar von den Typen, die dort arbeiten, haben ausgesagt, dass ein Kerl, auf den Frankies Beschreibung zutrifft, seit dem vergangenen Januar ab und zu dort war. In der ersten Februarwoche, das geht aus Quittungen hervor, die wir in seiner Wohnung gefunden haben, ließ er den Motor seines Mercury für fünfhundert Mäuse überholen, die er sich vermutlich von Al Hunt besorgte.«
    »Wissen Sie, ob Frankie vielleicht zufällig an einem Tag, an dem Beryl ihren Wagen zum Waschen brachte, in der Waschanlage war?«
    »Ich glaube, dass es sich wohl so zugetragen hat. Er hat sie wahrscheinlich zum ersten Mal gesehen, als er im letzten JanuarHarpers Koffer am Haus der McTigues abgeliefert hat. Und dann? Vielleicht hat er sie ein paar Wochen später, als er sich gerade in Hunts Waschanlage herumtrieb, um etwas Geld von Al zu ergattern, wiedergesehen. Treffer. Für ihn muss es wie ein Zeichen gewesen sein. Vielleicht ist er ihr auch auf dem Flughafen wiederbegegnet, er hat dort doch ständig verlorengegangenes Gepäck abgeholt und weiß Gott was gemacht. Vielleicht hat er Beryl dort zum dritten Mal gesehen, als sie nach Baltimore flog, um sich mit Miss Harper zu treffen.«
    »Meinen Sie, dass Frankie Al Hunt auch von Beryl erzählt hat?«
    »Das kann niemand mehr sagen. Aber überraschen würde es mich nicht. Das wäre wenigstens eine Erklärung dafür, warum sich Hunt erhängt hat. Er hat das, was sein irrer Freund schließlich Beryl angetan hat, vielleicht kommen gesehen. Und als dann auch noch Cary Harper um die Ecke gebracht wurde, fühlte Hunt sich vermutlich fürchterlich schuldig.«
    Ich rutschte unter Schmerzen auf meinem Stuhl herum und schob Papiere zur Seite, um meinen Datumstempel zu finden, den ich noch vor einer Sekunde in der Hand gehalten hatte. Mir tat alles weh, und ich dachte ernsthaft daran, meine Schulter röntgen zu lassen. Ob irgendjemand etwas für meine Psyche tun konnte, wusste ich nicht. Ich fühlte mich vollkommen daneben. Ich war mir nicht sicher, was mit mir los war, außer, dass es
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