Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flucht aus der Zukunft

Flucht aus der Zukunft

Titel: Flucht aus der Zukunft
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
reglos vor Lanoy und kämpfte die Versuchung nieder, dem Mann das Televektorkabel um den Hals zu ziehen.
    »Es tut mir leid, daß ich Ihnen das antun muß, Quellen«, sagte Lanoy. »Persönlich habe ich nichts gegen Sie. Sie sind ein armer Kerl, gefangen in einer Welt, für die Sie nichts können und die Sie nicht sonderlich mögen. Aber ich kann es nicht ändern. Entweder Sie oder ich – und Sie wissen genau, wer gewinnen muß.«
    »Wie sind Sie dahintergekommen?«
    »Durch Brogg.«
    »Weshalb hat er das getan? Er bekam einen guten Preis von mir.«
    »Ich habe ihm mehr geboten«, sagte Lanoy. »Ich habe ihn in die Römerzeit zurückgeschickt. Zu Hadrian oder vielleicht Trajan. Er befindet sich 2400 Jahre in der Vergangenheit.«
    Quellen spürte, wie der Boden unter seinen Füßen zu schwanken begann. Er klammerte sich am Schreibtisch fest, um nicht ohnmächtig zu werden. Brogg ein Zeitreisender? Brogg verschwunden? Brogg ein Verräter?
    »Wann?« fragte Quellen.
    »Gestern abend, gegen Sonnenuntergang. Brogg und ich unterhielten uns darüber, wie ich der Verhaftung und der Arbeitslosigkeit entgehen könnte. Er deutete an, daß Sie einen wunden Punkt hätten. Und ich zwang ihn dazu, ihn mir zu verraten – für die Erfüllung seines Lebenswunsches. Er wollte das alte Rom mit eigenen Augen sehen.«
    »Das ist unmöglich«, beharrte Quellen. »Es gibt Aufzeichnungen der Zeitreisenden, und Brogg war nicht darunter.«
    Er merkte selbst, wie sinnlos seine Worte waren. Die Aufzeichnungen gingen bis ins Jahr 1979 zurück. Brogg war um fast zwei Jahrtausende weiter gegangen. Damals gab es noch keine Aufzeichnungen.
    Quellen fühlte sich schwindlig. Er wußte, daß Brogg überall kleine Maschinen versteckt hatte, die im Falle seines Verschwindens zum Hauptquartier kommen würden. In ihnen waren Bänder mit Hinweisen auf Quellens Verbrechen. Die kleinen Roboter mußten schon seit gestern abend auf ihren Federbeinen unterwegs sein. Ich bin erledigt, dachte Quellen, wenn Brogg nicht den Anstand besessen hatte, die Roboter vor seiner Abreise abzustellen. Er hätte es ohne große Schwierigkeiten tun können. Die Roboter reagierten auf Telefonanrufe. Ein einziger Hinweis hätte sie zum Schweigen gebracht. Aber ob Brogg das getan hatte? Wenn nicht, wußte die Hohe Regierung in diesem Augenblick schon Bescheid über Joseph Quellens Verbrechen.
    Aber Quellen hatte noch heute morgen mit Koll gesprochen, und Koll hatte ihm zu seiner Beförderung gratuliert. Koll konnte sich verstellen, aber nicht in diesem Maße. Er wäre sicher einer der Empfänger gewesen, und er hätte seine Wut über Quellens Frechheit nicht verbergen können.
    So hatte Brogg die Roboter vielleicht doch abgeschaltet. Oder er war gar nicht unter die Zeitreisenden gegangen.
    Stirnrunzelnd drückte Quellen auf die Interkomtaste und sagte: »Ich muß Brogg sprechen.«
    »Tut mir leid, Untersekretär Brogg ist heute nicht erschienen.«
    »Hat er nicht hinterlassen, wo er sich befindet?«
    »Wir haben nichts von ihm gehört, Sir.«
    »Rufen Sie in seiner Wohnung an. Und dann im Distrikthauptquartier. Wenn er in einer Viertelstunde nicht gefunden ist, muß eine Televektorsuche eingeleitet werden. Ich will wissen, wo er sich aufhält.«
    Lanoy lachte. »Sie werden ihn nicht finden, Quellen. Glauben Sie mir, er ist in Rom. Ich habe die Zeitverschiebung selbst eingestellt – zeitlich und räumlich. Wenn alles klappt, landete er irgendwo im Süden der Stadt, vielleicht auf der Via Appia.«
    Quellens Mund zuckte. Er umkrampfte den Schreibtisch, bis sich seine Finger in das wärmeempfindliche Material eingruben. »Wenn Sie jemanden so weit zurückschicken können, weshalb hat man dann nur immer etwas bis zum Jahre 1979 gehört?«
    »Das hat viele Gründe!«
    »Wie zum Beispiel?«
    »Erstens war die Methode bis vor kurzem nur für etwa fünfhundert Jahre zuverlässig. Wir haben sie inzwischen verbessert. Jetzt können wir Menschen ein paar tausend Jahre zurückschicken und wissen, daß sie ankommen.«
    »Die Schweine im zwölften Jahrhundert?«
    »Ja«, sagte Lanoy. »Das waren unsere Experimente. Zweitens muß man sagen, daß in den Zeitraum der letzten fünfhundert Jahre so viele Menschen geschickt wurden, daß es der Regierung auffiel. Die Leute, die aus Versehen früher landeten, wurden für verrückt erklärt oder wegen Hexerei verurteilt. So versuchten wir die Zeitreisenden dahin zu schicken, wo sie als solche erkannt wurden. Nur auf besonderen Wunsch weiteten wir den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher