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Flucht aus der Zukunft

Flucht aus der Zukunft

Titel: Flucht aus der Zukunft
Autoren: Robert Silverberg
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sich das ein. Und doch, so sagte er sich oft, war das Leben eine Reise, die man nur einmal machte. Wer würde später danach fragen, ob er einen Teil davon in der Ersten Klasse mitgefahren war?
    Nur hier draußen gab es Freiheit.
    Und das herrliche Gefühl, weit, weit weg von Marok, dem verhaßten Zimmergenossen zu sein. Kein Ärger mehr wegen der Berge ungewaschenen Geschirrs, wegen der Bücher, die überall in ihrem winzigen Raum herumlagen, wegen seiner harten Stimme, die endlos ins Visiphon dröhnte, wenn Quellen sich zu konzentrieren versuchte.
    Nein. Kein Marok hier.
    Und doch, dachte Quellen traurig, hatte sich nicht der Friede eingestellt, den er sich erhofft hatte, als er sein neues Heim baute. So war es nun in der Welt: Sobald man eine Sehnsucht erfüllt hatte, verlor sich das Gefühl der Befriedigung schnell. Jahrelang hatte er mit bemerkenswerter Geduld gewartet, daß er Klasse Sieben erreichte und damit das Recht bekam, allein zu wohnen. Der Tag war gekommen. Aber es war nicht genug gewesen. So hatte er sich ein Stück Afrika gestohlen. Und nun lebte er in Unsicherheit und Angst.
    Er warf wieder einen Stein ins Wasser.
    Dong.
    Während er die Wellenringe beobachtete, die sich auf der dunklen Wasseroberfläche ausbreiteten, kam Quellen zum Bewußtsein, daß am anderen Ende des Hauses wieder das Signalzeichen ertönte. Dong, dong, dong. Das unbehagliche Gefühl in ihm wurde plötzlich zu einer bösen Vorahnung. Er stand auf und eilte ans Telefon. Dong.
    Quellen schaltete es ein, ließ aber den Sichtschirm dunkel. Es war nicht leicht gewesen, alles so zu arrangieren, daß die Anrufe, die in sein Zimmer in Appalachia kamen, automatisch hierher übermittelt wurden.
    »Quellen«, meldete er sich und warf einen Blick auf den grauen Schirm.
    »Hier ist Koll«, sagte eine kratzige Stimme. »Ich konnte Sie nicht früher erreichen. Weshalb stellen Sie den Sichtschirm nicht an, Quellen?«
    »Er funktioniert nicht«, erklärte Quellen. Er hoffte, daß der spitznasige Koll, sein unmittelbarer Vorgesetzter im Kriminalsekretariat, die Lüge nicht merkte.
    »Kommen Sie schnell vorbei, ja, Quellen? Spanner und ich haben etwas Dringendes mit Ihnen zu besprechen. Verstehen Sie, Quellen? Es ist dringend. Regierungssache. Man setzt Druck dahinter.«
    »Jawohl, Sir. Sonst noch etwas, Sir?«
    »Nein. Die Details erklären wir Ihnen, wenn Sie da sind. Machen Sie schnell.« Koll unterbrach die Verbindung.
    Quellen starrte eine Zeitlang auf den blanken Schirm und kaute an seiner Unterlippe. Sein Inneres verkrampfte sich ängstlich. Wollte man mit ihm über sein illegales Versteck sprechen? Hatte man ihn endlich entdeckt? Nein, nein. Sie konnten es nicht herausgebracht haben. Es war unmöglich. Er hatte sich zu gut abgesichert.
    Aber, so warnte ihn hartnäckig sein Inneres, sie mußten sein Geheimnis entdeckt haben. Weshalb sonst verlangte Koll so dringend nach ihm? Weshalb die eisige Stimme? Quellen begann trotz der Klimaanlage zu schwitzen.
    Sie würden ihn in Klasse Acht zurückversetzen, wenn sie es erfuhren. Oder gar in Klasse Zwölf oder Dreizehn, mit einem lebenslänglichen Aufstiegsverbot. Er würde den Rest seines Lebens in einem winzigen Raum verbringen müssen, zusammen mit zwei oder drei der widerlichsten, ungewaschensten Leute, die der Komputer ausfindig machen konnte.
    Quellen beruhigte sich. Vielleicht regte er sich umsonst auf. Hatte Koll nicht gesagt, daß es um eine Regierungssache ging? Ein Befehl von oben, keine normale Verhaftung. Quellen wußte, daß man ihn nicht einfach zurückrufen würde, wenn man ihn wirklich entdeckte. Man würde ihn holen. Also handelte es sich um eine Dienstangelegenheit. Einen Augenblick sah er die Mitglieder der Hohen Regierung vor sich, schattenhafte Halbgötter, die einen Moment ihre anstrengende Tätigkeit unterbrachen, um Koll eine winzige Nachricht zukommen zu lassen.
    Quellen warf einen langen Blick auf die grünen überhängenden Bäume, die sich unter dem Gewicht ihrer Blätter beugten und an denen noch ein paar Tropfen des heutigen Morgenregens glitzerten. Er ließ die Blicke bedauernd über die zwei großen Räume wandern, über seine luxuriöse Veranda, über die Landschaft. Jedesmal, wenn er von hier fortging, erschien es ihm wie ein endgültiger Abschied. Jetzt machte ihm nicht einmal das Summen der Fliegen etwas aus. Er schluckte und trat auf die Maschine zu. Das purpurne Feld hüllte ihn ein. Er wurde ins Innere gesogen.
    Quellen wurde verschlungen. Die verborgenen
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